Im Herzen der Wildnis - Roman
vorn und achtern die Leinen los?«
Während Shannon die Handschuhe anzog, um die Segel zu setzen, fragte Tom: »Kommen die beiden nicht mit?«
»Nein, Tom. Sie werden sich an der Fisherman’s Wharf einen schönen Abend machen und auf uns warten.«
Shannon manövrierte das Boot aus dem Jachthafen in die Bay. Die Segel fingen den Nordostpassat ein, und das Boot nahm Fahrt auf. Dann waren sie unterwegs zum Golden Gate. Shannon wurde endlich ruhiger, atmete tief die salzige Luft ein und lauschte auf die vertraute Melodie des Knarrens, Knirschens, Quietschens und Rauschens, die sie umwehte.
»Ich dachte, Segeln sei eine ruhige und besinnliche Angelegenheit«, rief Tom und betrachtete die Stadt, die gemächlich an ihnen vorbeiglitt. »Ich wusste nicht, dass ein großes Boot allein zu segeln so harte Arbeit ist.«
»Deshalb nehme ich nur harte Jungs mit, die sich an Bord nützlich machen können.«
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Nein, genießen Sie die Fahrt. Und tun Sie mir den Gefallen und lenken Sie mich nicht ab, wenn ich vorn an den Segeln bin. Bei achterlichem Wind von der Seite knallen die Segel bei der Wende von einer Seite auf die andere. Im besten Fall haut es mich von Bord, und Sie können es nicht wenden, um mich wieder aus dem Wasser zu ziehen. Dann schießt das Boot in den Wind und kentert.«
»Und im schlimmsten Fall?«
»Wenn es mich voll erwischt, bricht es mir das Genick. Also bleiben Sie, wo Sie sind, fassen Sie nichts an, und vertrauen Sie mir. Ich mach das schon.«
»Um nochmal auf die harten Jungs zurückzukommen …«
Sie lachte. »Sie sind der Erste, Tom. Ich segle immer allein.«
»Ich weiß die Ehre zu schätzen.«
»Es ist mir ein Vergnügen.«
Während der schnellen Fahrt zum Golden Gate spürte sie, dass er sie beobachtete, wie sie breitbeinig am Ruder stand und bei jedem Aufprall auf die Wogen ihr Gewicht verlagerte. Sie hatte das Boot völlig unter Kontrolle.
»Sie machen das hervorragend, Skipper!«, rief er von hinten.
Sie drehte sich kurz zu ihm um und frotzelte: »Hoffentlich machen Sie Ihren Job nachher auch so gut. Die Seeluft macht mich hungrig.«
»Mich auch. Wohin segeln wir?«
Sie deutete nach vorn.
»In den Pazifik?«, fragte er nach. Als sie nickte, fragte er: »Wie weit?«
»Kurz vor Alaska drehen wir um.«
Er lachte. »Benutzen Sie denn keine Seekarten?«
»Nicht für kurze Strecken Ich kenne die Küste genau. Wir werden immer in Sichtweite der Felsenküste bleiben.«
Während sie das Golden Gate durchquerten, schwieg er und sah sich um, und nur das Knarren der Bootsplanken und das Rauschen der Wellen waren zu hören.
Shannon drehte sich zu ihm um. »Wie geht’s?«
»Sehr gut, ich genieße es sehr. Ich hätte nicht gedacht, dass ich beim Segeln so viel Spaß haben könnte. Ich bin froh, dass Sie mich mitgenommen haben.«
»Vertragen Sie’s noch ein bisschen rauer?«
»Aber sicher!«, rief er übermütig.
»Na, dann! Da vorn beginnt der Pazifik. Auf nach Alaska!«
»Sie brauchen wirklich keine harten Kerle an Bord«, lachte er.
Sie warf einen Blick über die Schulter. »Nein.« Dann sah sie wieder nach vorn.
Mit hoher Geschwindigkeit schossen sie hinaus in den Pazifik und ließen die gischtigen Brecher an den Felsklippen im Golden Gate hinter sich. Die Fläche des Pazifiks war glatt, und die Dünung, die ihnen aus unendlichen Fernen entgegenrollte, war sanft.
Nach fünf Minuten drehte Shannon und segelte, den Wind von Steuerbord, die Wogen von Backbord, an der Küste von Marin County entlang nach Norden.
»Wie weit ist es noch?«, rief Tom, der hinter ihr beobachtete, wie die Gischt an den schroffen Felsen emporspritzte.
»Drei oder vier Seemeilen. Wir sind bald da.«
»Passend zum Sonnenuntergang? Wie romantisch!«
Bald hatten sie ihren Ankerplatz in einer stillen Bucht erreicht. Sie drehte das Boot mit dem Bug nach Westen, blockierte das Ruder, barg die Segel und kippte den Anker ins Wasser. Im Windschatten der Felsenküste lag das Boot ruhig in der heranrollenden Dünung, und Tom genoss den Blick auf die zerklüftete Felsenküste und auf die glutrote Sonne über dem wogenden Horizont. »Einfach fantastisch!«, schwärmte er. »Wo sind wir hier?«
Sie deutete über seine Schulter. »Hinter diesen Felsen liegt in einem Tal ein Wald von riesigen Sequoias, den ich Rob gern zeigen würde, wenn er kommt. Es ist sehr schön dort.«
Tom antwortete nicht sofort und musterte sie, während sie sich über ihn beugte, um seinen Gurt zu
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