Im Herzen der Zorn (German Edition)
so zu tun, als wäre sie ein normales sechzehnjähriges Mädchen (das in ein paar Monaten siebzehn wurde).
Gabby kam mit einen Tablett Irish Coffees zurück ins Wohnzimmer. »Bitte sehr, die Damen«, sagte sie, während sie sie an Em und Skylar verteilte. »Das Essen wartet in der Küche auf uns, bis wir fertig sind. Ich hoffe, die Pediküre hält wenigstens bis zu meiner Pyjamaparty.«
Am ersten Schluck Kaffee verbrannte Em sich den Rachen, aber das machte ihr nichts aus. Sie würgte ihn einfach hinunter. Seltsam, äußerlich empfand sie es gar nicht als besonders kalt. Hätte Gabby nichts gesagt, wäre ihr überhaupt nicht aufgefallen, dass sie viel zu dünn angezogen war. Aber da war diese Kälte tief in ihr drin, die sich einfach nicht wegleugnen ließ. Sie wusste nicht, ob es Angst war oder eine Krankheit oder diese kleinen Samen, die die Furien sie hatten schlucken lassen, auf jeden Fall wurde sie dieses eigenartige Gefühl nicht los.
»Also, einweichen, dann Peeling, dann Lotion?«, fragte sie, während die Mädchen ihr privates Pedikürestudio aufbauten.
»Genau«, erwiderte Gabby. Em begann, sich langsam zu entspannen. Im Hintergrund lief Gabbys Lieblingsmusik, das Zimmer duftete nach Bodylotion und der warme Whiskey verteilte sich allmählich in ihrem Magen. Sie fühlte sich fast normal.
»Also, Skylar, ich bin immer neugierig, wie unsere Jungs im Vergleich zu anderen abschneiden. Wer ist schärfer? Die Typen aus Alabama oder die aus Maine? Und wen hältst du bis jetzt für den heißesten Kerl an der Ascension?«
Em beobachtete, wie Skylars Gesicht zuerst kreideweiß wurde und dann rot anlief, bevor sich ein schüchternes Lächeln darüberlegte. »Oh, ich weiß nicht«, antwortete Skylar und konzentrierte sich plötzlich angestrengt auf ihren großen Zeh.
»Da muss es doch jemanden geben«, drängte Gabby. »Du kannst es uns auf jeden Fall erzählen. Ich bin sehr gut im Geheimnissehüten und Em ist mit ihren Gedanken ganz woanders und hat wahrscheinlich in ein paar Minuten sowieso alles vergessen, was du sagst.« Sie warf Em ein Grinsen zu.
Skylar blickte zwischen Em und Gabby hin und her, als versuchte sie, ihre Vertrauenswürdigkeit abzuschätzen. Dann schoss es in einem Atemzug aus ihr heraus: »IchglaubePierceistirgendwieganzsüß.«
»Pierce Travers?«, quiekte Gabby. »Wirklich? Okay, na ja, also erst mal, klar. Echt ein scharfer Typ für einen Zehntklässer. Und zweitens, da können wir garantiert was arrangieren. Meinst du nicht, Em?«
Em antwortete nicht sofort und trocknete sich den Knöchel mit einem Waschlappen ab. Es war offensichtlich, dass Pierce für Gabby schwärmte.
»Das wäre bestimmt eine Möglichkeit«, sagte sie dann langsam. »Ich kenne ihn kaum, aber er scheint ein netter Kerl zu sein. Du kennst ihn doch ziemlich gut, Gabs, oder?«
Gabby ignorierte Ems Frage. »Oh mein Gott, wie niedlich! Also gut, wir machen uns ans Werk.« Sie hörte sich an, als arbeitete sie schon an einem Schlachtplan. Was sie bestimmt auch tat. »Er ist übrigens zu meiner Pyjamaparty eingeladen. Aber von den Jungs darf keiner übernachten.«
»Ich kann gar nicht glauben, dass er erst in der Zehnten ist und schon Quarterback in der Startaufstellung«, sagte Skylar, die mit einem Mal ein wenig lockerer schien. Sie verteilte Lotion auf ihren Füßen. »Ich hab so eine schreckliche Geschichte über den Jungen gehört, dessen Platz er eingenommen hat.«
Nein, bitte nicht das , dachte Em, doch bevor sie es laut aussprechen konnte, machte Skylar schon weiter.
»Angeblich hat er sich umgebracht. Stimmt das?«
Schweigen.
Gabby räusperte sich. Em rieb sich Peeling auf die Fußsohle.
»Habt ihr … habt ihr etwa so was wie … oh. Bitte entschuldigt«, sagte Skylar und runzelte die Stirn. »Das hätte ich wissen müssen.« Sie klang, als täte es ihr ehrlich leid.
»Also, er ist der Ersatz für einen Typen namens Zach, der von der Ascension abgegangen ist«, erklärte Gabby leise. »Aber du sprichst von Chase, der … wirklich gestorben ist. Und ja, wir kannten ihn. Es war nicht leicht.«
Nicht leicht. Em sinnierte über die Worte. Es war nicht leicht, sich die Nacht, in der Chase gestorben war, noch einmal vorzustellen und sich zu fragen, ob sie ihn irgendwie vor Tys Manipulation hätte retten können. Es war nicht leicht, ihn dafür zu hassen, wie er Sasha gequält hatte, während sein Gesicht ständig wieder in Ems Albträumen auftauchte. Es war nicht leicht, sich zu fragen, ob Chases Taten das
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