Im Herzen des Kometen
steifes kleines Ritual mit Ansprachen gewünscht hätte; ihm wäre es lieber gewesen, wenn die anderen sich zusammengesetzt und ein paar Gläser auf ihn getrunken hätten. Das wäre im Sinne des Kapitäns gewesen.
Malenkow nickte stirnrunzelnd. Carl begriff, daß sie darüber sprachen, was Cruz umgebracht hatte, und ob es womöglich ansteckend sei. »Verbreitung, ja. Nun, Osborn kann die Arbeitsverteilungspläne der Lage anpassen, bis wir Oakes auftauen.«
»Ich gehe zurück ins Labor«, sagte Saul. »Ich brauche alle Untersuchungsresultate, die wir über Cruz zur Verfügung haben.«
»Ich denke nicht«, sagte Malenkow.
Carl sah, daß Saul bereits halb in Gedanken über die Frage verloren war, worauf er seine Nachforschungen zunächst konzentrieren solle. Saul antwortete nicht gleich, sondern blickte durch den Dunst zu dem Stahldeckel, der sich hinter Cruz geschlossen hatte. Dann wandte er sich langsam zu Malenkow. »Mmmh? Wie?«
»Sie sind an der Reihe, Saul.«
»Was?«
»Dieser Todesfall kann mich nur bestärken.« Malenkow preßte die Lippen zusammen, seine Backenmuskeln traten knotig hervor.
»Das ist lächerlich«, sagte Saul verdutzt. Er machte ein Gesicht, als hätte Malenkow ihn mit einem schlechten Scherz überrascht.
»Schon durch dieses Gespräch riskieren wir, daß Sie infiziert werden.« Malenkow gestikulierte unmißverständlich. »Ins Kühlfach mit Ihnen.«
Saul trat zurück. »Nein, keineswegs. Ich kann helfen. Lieber Himmel, wenn mein Verdacht zutreffen sollte, bin ich der einzige, der verstehen kann, was vorgeht…«
»Sie sind in dieser Situation nicht so groß und unentbehrlich«, entgegnete Malenkow. »Peltier kennt sich in der Immunologie gut aus.«
»Ich bestehe darauf…«
»Wir dürfen nicht riskieren, daß Sie tot umfallen, mein Freund.«
»Nikolai, ich habe nicht, was Miguel Cruz umgebracht hat!«
»Sehen Sie sich an!« sagte Malenkow. »Die Augen gerötet, die Nase läuft. Sie haben etwas. Vielleicht ist es ein Erreger, den Sie in Ihrem Labor erwischt haben.«
Virginia trat an Sauls Seite und wischte ihm mit einem Taschentuch die Stirn. »Du hast eine heiße Stirn«, sagte sie.
Carl beobachtete unangenehm überrascht, wie sie die Hand in unbewußter Intimität an sein Gesicht legte. Er sieht tatsächlich verdammt krank aus, dachte er dann. Malenkow hat recht.
»Wie lange geht es dir schon so?« fragte Virginia leise.
»Seit einigen Tagen, mal stärker und mal schwächer«, sagte Saul wegwerfend. »Eine Erkältung, das ist alles. Ein wenig Fieber.«
Malenkow sagte: »Das ist nicht gewiß.«
»Ich glaube, es ist ein Überbleibsel von Matsudos letzter Herausforderung an unser Immunsystem. Das heißt aber nicht, daß ich Typhus hätte.«
»Der Kapitän ist innerhalb von Stunden gestorben«, sagte Malenkow.
»Nicht an etwas, was er in meinem Laboratorium erwischt hätte. Er ist nicht mal in der Nähe gewesen.«
»Er kann sich direkt bei Ihnen angesteckt haben.«
»Genau! Warum bin ich dann noch am Leben? Gebrauchen Sie Ihren Kopf, Nikolai!«
»Tue ich.«
»Sie brauchen mich, um diesen Erreger zur Strecke zu bringen!«
»Es geschieht zur Rettung Ihres eigenen Lebens!« Malenkow schüttelte die Faust in Sauls Richtung.
»Nein! Ich möchte daran arbeiten. Sie alle könnten zugrunde gehen, wenn ich nicht…«
»Saul, du mußt!« drängte Virginia. Ihre Stimme klang gepreßt. »Wir können ohne…«
»Genug davon!« rief Malenkow. Seine mächtige Gestalt war nur zu sehr geeignet, dem Befehl Nachdruck zu verleihen. Der mit gehärtetem Fibergewebe ausgekleidete Raum verschaffte dem Ausruf zudem eine dröhnende Resonanz.
Ich wußte, daß er anfangen würde, die Leutegrob anzufahren, wenn er die Gelegenheit bekäme, dachte Carl bei sich. Lassen wir es ihm jetzt durchgehen, werden wir für immer seine Befehle ausführen müssen. Ich kenne diesen Typ.
Malenkow machte eine schnaufende Pause und nutzte sie, die anderen nacheinander ins Auge zu fassen. »Ich erwarte, daß Sie sich fügen!«
»Sie sind weder Kapitän, noch haben Sie eine Befehlsfunktion«, sagte Carl ruhig. Niemand schien bemerkt zu haben, daß Malenkow nicht offiziell mit der Führung beauftragt war, ganz gleich, was er sich anmaßte. »Wenn ich mich recht entsinne, steht die Abteilung Versorgungssysteme an zweiter Stelle in der Mannschaftsliste, und ich bin stellvertretender Leiter.«
Alle drei schauten ihn überrascht an. Wissenschaftler blicken nie über ihr eigenes Lehnsgut hinaus, dachte er mit
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