Im Herzen Rein
sie zu Lügen werden, die wahrheitsgetreuer sind als die scheinbare Wirklichkeit.«
»Wo haben Sie die blauen Kleider gekauft, die in Ihrem Atelier hängen?«
»Bei C&P. Ich habe sie bar bezahlt.«
»Was haben sie gekostet?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
Paula wusste es: 134,50 Euro. Sie ging davon aus, dass er nicht nur drei, sondern sechs Kleider gekauft hatte. »Lag der Betrag über fünfhundert Euro oder darunter?«
»Keine Ahnung. Ich habe noch anderen Krempel gekauft und alles zusammen bezahlt.«
»Haben Sie den Kassenbon noch?«
»Ich leiste mir den Luxus, keine Belege aufzuheben. Es würde mich daran erinnern, dass ich viel zu lange arm war.«
»Aber die Steuer -«, wandte Marius ein, doch Heiliger unterbrach ihn sofort: »Dieses Gestreite mit der Steuer ist nur eine weitere Steigerung von Armsein, nämlich Armseligkeit.«
»Vielleicht wissen Sie aber noch, wie viele Kleider Sie gekauft haben?«, fragte Paula.
»Drei. Sie haben sie im Schrank hängen sehen.«
»Könnten es nicht sechs gewesen sein?«
Heiliger fixierte sie eisig. »Nein.«
»Erinnern Sie sich noch daran, wer Sie bedient hat?«
»Eine kleine Frau mit dunklem Haar, etwa vierzig, sie trug eine weiße Bluse und Jeans. Sie hatte ein Namensschild, aber ich habe es nicht gelesen.«
Marius machte eine Notiz.
»Ich habe Sie so verstanden, dass Sie zwei Kleider brauchen für die Nachbildungen der beiden Opfer Silvia Arndt und Johanna Frenzi. Richtig?«
»Richtig.«
»Und mit dem dritten Kleid wollten Sie eine Nachbildung Ihrer schwangeren Freundin Antonia Hartmann dekorieren?«
»Was soll dieses Scheißspiel?!«, brüllte er. »Ihr verschissenen, hirnlosen Bullen!« Er sprang auf, sein Stuhl flog durch den Raum.
Paula und Marius waren ebenfalls aufgesprungen. Marius hatte dabei den Tisch umgestoßen, und Paula war zur Tür gerannt, um Verstärkung zu rufen. Zwei Beamte stürzten herein, packten Heiliger und drehten ihm die Arme auf den Rücken.
»Durchsucht ihn noch mal«, wies Paula an.
Marius trat auf Heiliger zu, doch der zog plötzlich ein Knie an, sodass Marius zu Boden stürzte. Er hielt sich mit beiden Händen die Nase, aus der Blut quoll.
Die Beamten warfen Heiliger auf den Boden, hielten ihn fest und legten ihm Handschellen an. Paula lief auf die Toilette und holte Papier für Marius. Er stand auf dem Flur, sein Taschentuch war schon blutdurchtränkt. Sie empfahl ihm, sich in seinem Büro auf den Rücken zu legen.
»Sollen wir ihn ins UG schicken?«, fragte einer der Kollegen.
»Nein. Legt ihm Fußfesseln an. Ich vernehme weiter.«
Marius stand unschlüssig da. Paula hatte inzwischen wieder versucht, Chris zu erreichen. Sie nahm Heiligers BlackBerry aus Marius’ Tasche und bat ihn, so schnell wie möglich zu Chris’ Wohnung zu fahren. Sie hatte heute noch kein Lebenszeichen von ihr erhalten. Vielleicht hatte sie sich abgeschottet, weil ihr schlecht war, aber vielleicht brauchte sie auch Hilfe. »Klopf so lange, bis sie öffnet. Um diese Uhrzeit kann sie nicht mehr schlafen, auch wenn es gestern anstrengend war.«
Bach öffnete die Tür vom Nachbarbüro, von dem aus er die Vernehmung beobachtete. »Alles okay?« Paula nickte, und er zeigte ihr seinen erhobenen Daumen als Bestätigung für ihre Gesprächstaktik.
Sie ging in den Vernehmungsraum zurück. Der Tisch war wieder aufgestellt, und Heiliger saß ihr nun in Handund Fußschellen gegenüber.
»Wollen Sie einen Anwalt?«, fragte sie.
»Ich verzichte darauf, wenn Sie auch niemanden dazuholen.« Er grinste.
»Sind Sie lieber mit mir allein?«
»So ist es.«
»Gut«, sagte sie, »Dann erzählen Sie mir, was ich wissen möchte. Sie sind zu intelligent, als dass wir hier ein Katz-und-Maus-Spiel machen müssten. Was halten Sie von meinem Vorschlag?«
»Wenn ich das zu Ihrer Zufriedenheit tue, ist es dann möglich, die Anklage wegen der Körperverletzung gerade eben fallen zu lassen?«
Neben den drei Morden fiel der Angriff auf Marius so gut wie gar nicht ins Gewicht, aber sie spielte das Spiel mit. »Die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt?«
»Nun, wie auch immer, gilt der Deal?«
»Wenn Sie geständig sind, ja.«
»Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Alles, was Sie bei mir gefunden haben, habe ich mir besorgt, weil ich an einer Installation arbeite, die die Situation kopiert, in der die ermordeten Frauen gefunden wurden - die eine auf der Parkbank mit den Tauben und die andere im Kino. Ich habe die Fotos, die
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