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Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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Kaffeebecher. Eine Frau, die auf ihrem Spazierweg eine Pause macht und Tauben füttert. Sicher wollte er sehen, welche Wirkung seine Inszenierung erzielte.«
    Mein Gott, alles leere Luft, dachte Paula. Natürlich konnte es sein, dass sich der Täter unter die Neugierigen gemischt hatte, um die Arbeit der Polizei zu beobachten. Aber sie bezweifelte, dass er seine Visitenkarte abgegeben hätte. »Hast du den Jogger gefragt, warum er am Tatort war?«, fragte sie Chris.
    »Hab ich. Er läuft jeden Morgen dort entlang. Er wohnt weiter oben an der Spree - in Berlin Mitte. Er war schon einmal um acht vorbeigelaufen und hatte die Frau, die sich nicht bewegte, für eine Installation gehalten. Auf dem Rückweg musste er wegen der Schaulustigen anhalten. Dann hat er mich gesehen und wollte mich kennenlernen.«
    »Wenn jemand über eine Polizeiabsperrung springt, um eine Frau kennenzulernen, würde mich das als Psychiater interessieren«, sagte Bach. »Aber wenn diese Absperrung ein Mordopfer von Schaulustigen trennt, würde ich als Profiler den Ermittlern empfehlen, darauf zu reagieren.«
    Paula ärgerte sich, dass Bach sich in ihre Arbeit einmischte. »Und wie sollte ich Ihrer Meinung nach reagieren?«, fragte sie spitz.
    »Ihn observieren.«
    »Dafür bekomme ich keine Genehmigung«, stellte sie klar und wandte sich an Chris. »Das müsstest du auf deine Kappe nehmen, es wäre ziemlich ungewöhnlich.« Paula gefiel nicht, dass Bach ihr konkrete Maßnahmen vorschlug. Sie wollte ihn in seine Schranken verweisen und bat ihn kühl, ihr zu erklären, was der Unterschied zwischen einem forensischen Psychiater und einem Profiler sei.
    Bach reagierte freundlich. »Als Psychiater bin ich Analytiker kranker Seelen von Straftätern, begutachte und heile sie. Ich kenne meine Patienten als Psychiater. Als Profiler hingegen nicht. Da versuche ich, ein Bild des Patienten herzustellen. Als Profiler frage ich: Warum setzte der Täter die Frau in diese spezielle Position? Warum baute er Tauben vor ihr auf? Warum sollte sie wirken wie eine Installation - um den Begriff von diesem Heiliger zu benutzen. Warum stellte er den Kaffeebecher mit Sand neben sie? Warum machte er alles so, wie er es machte? Wir denken immer, die Menschen tun etwas Vernünftiges. Aber was ist für sie vernünftig? Etwas, das ihnen nutzt. Ja. Dabei entscheidet aber ihre Psyche , was ihnen nutzt. Dem einen nutzt Geld, dem anderen eine schöne Frau. Unser Täter fand es für sich nützlich , die von ihm ermordete Frau im blauen Kleid auf eine Parkbank ans Spree-Ufer zu setzen. Aber warum? Wir müssen seiner Art zu denken auf die Schliche kommen. Die Presse, das Fernsehen, alle sprechen nun von ihm. Das wollte er. Aber warum setzte er die Frau auf diese Bank und nicht auf eine andere? Warum sollte sie sitzen und nicht liegen? Oder sollte sie nur die Lust am Taubenfüttern ausdrücken?« Nach einer Atempause fuhr er gleich fort: »Die Beweggründe sind identisch mit denen eines Künstlers. Das mag einem passen oder nicht, aber man muss es erst einmal akzeptieren. Wer dazu bereit ist, kann dann weiter in den Fall eindringen.« Er sah Paula unverwandt an.
    »In der Kunst gilt die Maxime anything goes , die Qualität von Kunst besteht nicht mehr im Handwerk des Arbeitens, sondern im Handwerk des Vermarktens. Wie finde ich die größte Aufmerksamkeit? Am besten mit einem Tabubruch. Die Steigerung ist der Gesetzesbruch. Zum Beispiel, wenn man für eine Installation eine echte Leiche benutzt. Sie erinnern sich an die Körperausstellungen im letzten Jahr? Echte Menschenkörper waren präpariert und farbig gestaltet. Die Medien sorgten für einen solchen Massenandrang, dass die Ausstellung vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet war. Das hatte es noch nie gegeben.« Er sah Paula ernst an. »Diesen Punkt haben wir erreicht, das ist die Realität. Nur konventionelles Denken blockiert uns, das Offenkundige wahrzunehmen.«
    »Dass der Mörder bereits seine Visitenkarte abgegeben hat?«
    Bach zog die Augenbrauen hoch und ignorierte die zynische Frage. »Ich habe eine Bitte«, sagte er.
    »Und die wäre?«
    »Wenn Sie ihn verhaften, möchte ich mit ihm reden.«
    Paula antwortete nicht. Sollte er seine Besuchsanträge woanders stellen. Sie arbeitete in einer großen Behörde, pendelte nicht zwischen Atlanta und Berlin und hatte sich an Vorschriften zu halten. Innerhalb dieser Beschränkung gab sie ihr Bestes, auch wenn das manchmal nicht genug war. Mit dieser Bescheidenheit und diesem

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