Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen Rein

Im Herzen Rein

Titel: Im Herzen Rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
Vom Netzwerk:
Todestag, den sie ja nicht kannten, angezogen haben.«
    Der süffisante Ton nervte Paula. Jetzt, nach dem zweiten Mord, war sie auch schlauer.
    »Auch in dem anderen Punkt hat Bach recht«, legte Chris nach.
    Paula hob die Augenbrauen.
    »Dass es sich um eine Serie handelt.«
    Zu einer Serie gehören drei, dachte Paula. Mindestens.
    Sie schlug Chris vor, nach Hause zu fahren und auszuschlafen. Als sie nicht reagierte und nur vor sich hin starrte, versuchte sie ihr zu erklären, wie positiv sich die Situation verändert habe. Sie hatten den Wagen des Opfers, der vom Täter gefahren worden war, und es bestand eine gute Chance, dort Spuren zu finden. Außerdem hatten Zeugen gesehen, dass er eine Baseball-Kappe mit NY-Emblem trug, und im Auto war eine gefunden worden. Es klebten sogar noch Haare an ihr.
    »Warum sollte die von ihm sein?«, fragte Chris.
    Paula konnte nicht begreifen, warum die Freundin immer noch so negativ drauf war. »Es waren keine blonden langen Haare vom Opfer, das konnte ich sehen. Er könnte nach dem Kino noch irgendetwas aus dem Auto geholt haben und dabei die Kappe im Wagen verloren haben.« Paula bemühte sich um einen zuversichtlichen Ton, aber es schien nichts zu bringen. Im Gegenteil, Chris sah sie merkwürdig an.
    »Was ist mit dir?«, fragte Paula mit Nachdruck.
    »Ich war im Filmpalast . «
    »Ja, ich auch. Da kommen wir ja gerade her!«, sagte Paula.
    Chris reagierte heftig. »Das meine ich nicht. Ich war vor zwei Tagen dort in der Abendvorstellung.«
    »Wieso das?«
    »Nachdem ich Josef Heiliger bei seiner Vernissage getroffen hatte. Es war da in der Nähe, ich kam zufällig an dem Kino vorbei und sah, dass die Vorstellung gerade anfing. Es lief noch derselbe Film, den Silvia Arndt gesehen hatte. Irgendwie hatte ich den Impuls, der Situation nachzuspüren, in der sie gewesen ist.«
    Das scheint ihr gut gelungen zu sein, dachte Paula, verärgert über diese Emotionalisierung einer Arbeit, die einem schon naturgemäß unter die Haut ging und besser kühl und sachlich getan wurde. »Und hast du nachgespürt?«
    »Ich habe gedacht, vielleicht gehe ich gleich wieder. Aber als ich saß, war ich froh, einen Moment Ruhe zu haben. In der Galerie habe ich die ganze Zeit gestanden, und meine neuen Schuhe drückten. Im Kino konnte ich sie ausziehen und meine Füße massieren.«
    Was hatte das zu bedeuten? Chris war nicht der Typ, der irgendetwas dahererzählte. Sie hatte sehr gute Examina gemacht und war von ihrem Vater schon früh auf Logik und Sachlichkeit trainiert worden, um nicht zu sagen dressiert worden. Daher galt ihre Liebe auch mehr Bach als Schumann.
    »Ich habe die Schuhe auf die Sitzlehne vor mir gestellt. Einer ist runtergefallen.«
    Paula musste sich Luft machen. »Schwarze Schuhe mit roten Punkten?«
    Chris nahm das nicht als Sarkasmus. »Nein, das nicht. Ich trug ja auch kein blaues Kleid. Aber ich habe auf demselben Platz gesessen wie die Tote. Und meine Haltung war ähnlich.«
    Paula hatte gehofft, sie würde eine vernünftige Erklärung für Chris’ angespannte Laune erhalten, aber was sie jetzt hörte, klang nach Beziehungswahn. Sie schien sich mit der Toten zu identifizieren. Oder was war mit ihr los? Paula war nicht begeistert gewesen, dass Chris sich in die Mordkommission hatte versetzen lassen wollen, aber da war es ihr nur um ihre Freundschaft gegangen. Sie hatte nicht daran gezweifelt, dass Chris den Job bewältigen und auch hier sehr erfolgreich sein würde. Umso fassungsloser war sie nun darüber, dass sich Chris persönlich mit einem Opfer identifizierte! Und am ersten Tatort dann auch noch dieser Jogger!
    Die Freundin erklärte jetzt mit tonloser Stimme: »Beim ersten Tatort war es genauso.«
    »Wie bitte?! Was war da genauso?«
    »Ich habe dir mal erzählt, dass ich mittags nichts esse und statt in die Kantine an die Spree gehe. Ich habe da immer auf derselben Bank gesessen und Tauben gefüttert. Und eine Latte macchiato getrunken, die ich mir vorher im Bistro an der Ecke geholt habe.«
    »Bist du verrückt?«
    »Nein. Ich habe genauso dagesessen, an genau derselben Stelle wie Silvia Arndt. Auch die Sache mit den Tauben. Ich habe sie gefüttert und hatte immer denselben Kaffeebecher neben mir stehen.«
    Chris sagte das in einer so klaren und entschiedenen Weise, dass Paula fragte: »Und wo hast du den leeren Kaffeebecher dann immer gelassen?«
    »In den Abfallkorb geworfen. Was denkst du denn.«
    »Dann könnten Kinder ihn da herausgeholt und damit gespielt haben.

Weitere Kostenlose Bücher