Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt

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gar nicht gedacht (Verdammter Mist, die Milch ist sauer, da muß ich Milchpulver nehmen!), doch ihr angeborener Sinn für Logik legte ihr diese Möglichkeit ganz entschieden ans Herz, da sich die Vorkommnisse der letzten Zeit anders nicht erklären ließen. Falls diese Erklärung zuträfe, dürfte das ernsthafte Folgen haben, und sie müßte ihr Leben höchstwahrscheinlich von Grund auf ändern. Jungen Frauen, die im Kopf Stimmen hören, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Sie können entweder Truppen aufstellen und die Engländer aus Aquitanien vertreiben oder einen Fachmann um Hilfe ersuchen.
    »Das würde ich nicht machen«, riet ihr die Stimme. »Mit dem Mädchen haben Sie überhaupt keine Ähnlichkeit.«
    Jane entspannte sich; also war sie doch noch nicht verrückt geworden.
    »Raus aus meinem Kopf!« befahl sie entschieden. »Und zwar dahin, wo ich Sie sehen kann.«
    »Na schön.«
    Der Fremde nahm vor der Arbeitsplatte Gestalt an, ergriff ihre Tasse Tee und nippte daran. Jane schaltete noch einmal den Wasserkocher an und holte sich einen zweiten Becher vom Regal herunter.
    »Keine Ähnlichkeit mit wem?« fragte sie.
    »Mit Johanna von Orleans«, antwortete der Fremde. »Komisches Mädchen, unsere Johanna. Sie ist zwar nicht verrückt gewesen, selbst unter Aufbietung aller Phantasie nicht, gehörte aber eindeutig zu denen, die den Begriff der geistigen Zurechnungsfähigkeit arg in Verruf gebracht haben.«
    »Das ist mein Tee, den Sie da trinken. Die Milch ist übrigens sauer.«
    »Da Johanna soviel Zeit unter einem Helm verbracht hatte«, fuhr der Fremde fort, »hatte sich bei ihr eine unglaubliche Menge Ohrenschmalz gebildet. So was kann einem wirklich die Lust nehmen.«
    »Das haben Sie sich doch gerade erst alles ausgedacht«, protestierte Jane.
    Der Fremde grinste. »Die vollen zehn Punkte für Ihre Intuition«, erwiderte er. »Sie haben völlig recht. Zur Zeit von Johanna von Orleans war ich nicht mehr als ein lästiger kleiner Gedanke im hintersten Winkel des europäischen Unterbewußtseins. Das Ganze habe ich von einem der Burschen aus unserer Abteilung erfahren. Der behauptet, dadurch, daß er Johanna dauernd zu den Ohren rein- und rauskrabbeln mußte, habe er schon im fünfzehnten Jahrhundert die Wachsjacke erfunden.«
    »Das klingt wirklich faszinierend«, entgegnete Jane. »Hören Sie, hat diese Belästigung irgendeinen Sinn, oder ist es einfach mein übliches Pech? An dieser Stelle muß ich noch hinzufügen, daß ich vor Ihnen nicht die geringste Angst habe.«
    »Ach, sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Oh, Scheiße! Das ist ärgerlich. Ich vertrete nämlich die Theorie, daß Angst einen organischen Bestandteil jedes in sich geschlossenen Anwerbungsprogramms bildet.« Der Fremde nippte nachdenklich am Tee, und Jane fiel auf, daß sich der Pegel in der Tasse dabei überhaupt nicht veränderte. Die kleinen weißen Flecken, die die geronnene Milch verursacht hatte, waren jedoch verschwunden.
    »Also, das ist ja komisch«, staunte sie. »Ich dachte immer, durch Sie und Ihresgleichen sollte frische Milch sauer werden und nicht umgekehrt.«
    »Statische Elektrizität«, antwortete der Fremde, nippte erneut an der Tasse und verzog das Gesicht. »Ich persönlich hasse frische Milch. Die macht mich so gelassen. Übrigens, neun von zehn Punkten für Ihre Beobachtungsgabe.«
    »Nur neun?« wunderte sich Jane, als das Wasser zu kochen begann. »Wieso denn das?«
    »Weil Sie sich daran hätten erinnern müssen, daß die Milch heute morgen vor der Haustür noch gut war und den ganzen Tag über im Kühlschrank gestanden hat«, antwortete der Fremde. »Erst durch meine Anwesenheit ist sie schlecht geworden, und jetzt mache ich das einzig Anständige und verwandle sie wieder in frische Milch, indem ich vorübergehend den Ionenfluß umkehre.«
    »Das können Sie?«
    »Sicher«, antwortete der Fremde, wobei er wie ein Honigkuchenpferd grinste. »Ich bin äußerst vielseitig. Man könnte sagen, ich habe etliche Ionen im Feuer.«
    »Das könnte man durchaus so sagen, ja.«
    Jane warf einen Teebeutel in ihre Tasse und goß Wasser aus dem Kocher darüber. Es war eiskalt.
    »Das ist doch kindisch«, sagte sie.
    Wie ein Pferd, das gerade beschlagen wird, hob der Fremde den linken Fuß und untersuchte die Schuhsohle. »Eigentlich nicht«, widersprach er. »Kippen Sie die Tasse aus und werfen Sie mal einen Blick hinein.«
    Jane blickte ihn böse an und goß den Inhalt der Tasse in den Abfluß. Es klackerte, und sie erblickte vier