Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
Konstantinopel eine falsche Abzweigung zu nehmen.
    Und so schneidet er das Band durch. Und in jenem Sekundenbruchteil zwischen dem Augenblick, da sich die beiden Scherenblätter treffen, und jenem, da die zerschnittenen Enden des Bands hinunterfallen, denkt er: Na ja, wir machen alle mal einen Fehler.
    Denn das System hatte sehr wohl funktioniert, bevor die Schnellstraße gebaut wurde. Natürlich hätte das nicht der Fall sein dürfen. Das absolute Chaos hätte herrschen müssen.
    Statt einer geraden Linie, die die beiden Enden des Universums verbindet, gab es ein Labyrinth aus einzelnen Spuren und gewundenen kleinen Fahrwegen, die sich in immer neuen Kurven vollkommen zufällig, unkoordiniert und unvorhergesehen vom einen entscheidenden Ereignis zum nächsten schlängelten; fast wie die Geschichte selbst. Der Reisende mußte die Fähre verlassen, sich durch die finsteren Seitengassen der Vorgeschichte winden, um auf die Umgehungsstraße um die Jungsteinzeit zu gelangen, diese bis zum großen Kreisverkehr am Rand der Bronzezeit verfolgen, dort die zweite Abzweigung nehmen (sonst hätte er sich in einen Affen zurückentwickelt), um sich durch tausend Jahre ebener, langweiliger Zeitstraßen ohne Überholmöglichkeit zu quälen, bis er zum Abhang gelangte, der geradewegs ins Römische Reich führte. Dann stand jedem Reisenden die geradezu höllische Anstrengung bevor, sich durch den Stadtverkehr zu wühlen (wie die Verkehrssituation im heutigen Rom aussieht, weiß man ja; und dennoch: Gegenüber damals hat sie sich bis zur Unkenntlichkeit verbessert), bevor er die letzte Abfahrt zur getriebetötenden Fahrt durch das Mittelalter nehmen konnte – wo es die ganze Zeit bergauf ging und er hinter einer langen Kolonne langsam vorankommender kirchlicher Sattelschlepper klebte –, nur um sich anschließend mit der gehirnzermarternden Kompliziertheit des Überführungsnetzes des sechzehnten Jahrhunderts konfrontiert zu sehen …
    Alles andere mußte besser sein als das.
    Falsch.
    Genaugenommen dermaßen falsch, daß nach der ersten verhängnisvollen Massenkarambolage auf den in Richtung Zukunft führenden Spuren der Z7 eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt wurde, an der sämtliche Abteilungen beteiligt waren. Natürlich gab der Untersuchungsausschuß nie irgendwelche Ergebnisse bekannt; aber er hatte undichte Stellen wie eine sechs Monate alte Taschenlampenbatterie, und die dabei zutage tretenden Enthüllungen boten Anlaß für vielerlei Spekulationen.
    Da die Strecke jetzt schnurgerade verlief, fuhren zunächst einmal alle viel zu schnell. Ganz abgesehen von dem drastisch erhöhten Risiko von Zusammenstößen bedeutete das, daß die Reisenden in wenigstens halber Zeit – oftmals auch noch schneller – vom einen Ende des Universums zum anderen gelangten; mit dem Ergebnis, daß Umfang und Masse des Rückstaus am anderen Ende (wo diese wirklich schrecklichen Verkehrsampeln stehen) das Gleichgewicht der Ewigkeit empfindlich zu stören drohten, ganz zu schweigen davon, daß sich im Restaurant auf dem letzten Rastplatz nur drei funktionierende Toiletten befanden. Wenn nichts dagegen unternommen wurde, würde es echte Schwierigkeiten geben.
    Darum entschied die Verwaltung höchst widerwillig, daß nichts anderes übrigblieb, als alle den Weg zurückzuschicken, den sie gekommen waren …
    Die Idee an sich war nicht schlecht. Statt daß sich alle gleichzeitig durch die Ausgangstore zu zwängen versuchten, gab es ein Einfädelungssystem; jeder Reisende, der nicht durch die Tore gelangen konnte, wurde in einer riesigen Schleife über die Fahrbahn in Richtung Vergangenheit zurück zum Ausgangspunkt geleitet, wo er wieder auf eine der Spuren in Richtung Zukunft wechselte und erneut die Chance bekam, die Tore zu passieren. Es handelte sich um eine Art Warteschleifenmodell, bei dem sich die gegenwärtigen Leben auf dem Straßennetz im Kreis bewegten, bis sie eine Lücke fanden, um es zu verlassen.
    In der panischen Angst, die in die Vergangenheit führenden Straßen rechtzeitig fertigzustellen, bevor das Gefüge von Raum und Zeit zu sehr verbogen wurde, hatte sich niemand die Muße genommen, das Vorhaben genau zu durchdenken; aus diesem Grund wurden die furchtbaren Auswirkungen des Umstands, daß derselbe Reisende die gleiche Strecke zwei- oder dreimal zur selben Zeit – in zwei oder drei verschiedenen Schüben, wenn man so will – entlangfuhr, erst erkannt, als es schon zu spät war. Berichte von Reisenden, die sich auf ihrer

Weitere Kostenlose Bücher