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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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zweiten Runde befanden, auf der Überholspur zu schnell fuhren und sich selbst – noch mit der Bewältigung der ersten Runde beschäftigt – von hinten rammten, waren eine gründliche und furchtbar unerfreuliche Überraschung. Allein die Probleme, die sich aus den Versicherungsansprüchen ergaben, reichten aus, um die Kausalität durch einen dauerhaften Knoten zu verdrehen.
    Jeder Lösungsversuch führte zu weiteren und schlimmeren Problemen. Am wenigsten genial war der Einfall, eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen; denn bei den Reisenden, die sich an das vorgeschriebene Tempo hielten, handelte es sich um diejenigen, die sowieso schon ein Chaos anrichteten, indem sie auf der Außenspur entlangbummelten – und beispielsweise immer noch in der Reformationszeit herumtrödelten, während sie eigentlich längst die Epoche von Napoleon hinter sich gelassen haben sollten –, während die Rabauken, von denen die Schwierigkeiten hervorgerufen wurden, sie einfach nicht beachteten. An notorischen Gefahrenpunkten schlafende Polizisten quer über die Straße zu legen, war auch nicht ersprießlich, insbesondere dann nicht, wenn die Polizisten aufwachten.
    Da jeder zwei-, drei- oder sogar viermal öfter über das Straßennetz fuhr, als ursprünglich vorgesehen, brachen die Fahrbahnen unterdessen allmählich auf. Die Asphaltdecke verkraftete den Verkehr einfach nicht. Beträchtliche Frostschäden am gesamten Streckenabschnitt der Eiszeit waren da auch nicht unbedingt förderlich, und es dauerte nicht lange, bis in jeder Epoche nahezu ein Drittel des gesamten Straßennetzes für Reparaturarbeiten mit Pylonen abgesperrt war, was die bislang schlimmsten Probleme verursachte. Unzufriedene Reisende gingen dazu über, inoffiziell von der Schnellstraße abzufahren und auf das stillgelegte alte Verkehrsnetz aus schmalen Straßen und Seitenwegen überzuwechseln. Dies führte dazu, daß sie lange vor allen anderen – einschließlich sich selbst – am Ausgang ankamen. Panische Angst bewog die Verwaltung schließlich zu dem Schritt, eine Reihe von Umleitungen einzurichten, um den Verkehr wieder zum Rollen zu bringen, was bedeutete, daß sich zig entscheidende Momente der Geschichte als überhaupt nie eingetreten herausstellten. Auf einmal hatte es den Trojanischen Krieg, die Herrschaft König Artus’ und die goldenen Zeiten des englischen Krickets nie gegeben, was zu Begleiterscheinungen führte, die sich nur erahnen lassen.
    Ein weiterer, ziemlich trauriger Aspekt an der ganzen Geschichte war, daß der Personalchef dieses furchtbare Chaos in genau dem Moment vorhergesehen hatte, als er feierlich das Einweihungsband zerschnitt. Vielleicht hätte ihn das Wissen getröstet, daß das Problem zu der Zeit bereits gelöst war, wenn der Lösung nicht beschieden gewesen wäre, erst auf der Z93 am Rand von Agincourt im Gegenverkehr aufgehalten zu werden, letztendlich zu spät einzutreffen, um noch von irgendwelcher Bedeutung zu sein, und daraufhin wieder in den Verkehrsstrom gerissen zu werden.
    Der einzige, der überhaupt irgendeinen Nutzen aus dem ganzen Fiasko zog, war der Fliegende Holländer, der sein Schiff verkaufte, sich einen Satz Schraubenschlüssel und einen kleinen gelben Lieferwagen zulegte und jetzt ein Riesengeschäft mit seinem Pannendienst macht.
     
    Der Personalchef schloß die Tür und warf den Regenmantel über die Lehne eines Stuhls. Es war ein langer Tag gewesen.
    Von höheren Mitarbeitern der Verwaltung wird erwartet, in unmittelbarer Nähe des Hauptverwaltungsgebäudes zu wohnen. Sofern sie nicht das gewaltige Glück haben (wie beispielsweise Gänger, der sich einen langfristigen Mietvertrag für ein Hausboot organisieren konnte, das am linken Ufer des Styx vertäut liegt), bedeutet das eine winzig kleine Wohnung in einem der fünf labyrinthartigen Gebäude, die auf dem Gelände der alten Werft gebaut wurden. Für die einmalige Zahlung von einer Milliarde Kreuzer und die fünfzigtausend Kreuzer jährliche Grundmiete samt Hausmeisterkosten bekommt man Fenster, die sich nicht öffnen lassen, Fahrstühle, die nicht funktionieren, und feuchte Räume, daß man darin schwimmen könnte. Dachgärten und Blumenkästen sind zwar nicht vorhanden, aber wenn man eine gärtnerische Ader hat, gibt es ja immer noch den Schimmel an den Gardinen.
    Auf der Fußmatte lagen drei Umschläge. Der Personalchef hob sie auf, schenkte sich ein ordentliches Gläschen destilliertes Wasser ein und setzte sich in den einzigen Sessel, den der

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