Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
sehr gut erkennen, dass er durchtrainiert ist und sogar richtige Muckis hat. Ich muss grinsen, weil ich daran denke, wie Ben sich über Robin Hood ausgelassen hat und mich mit meiner Vorliebe für dickliche, ältere Männer aufgezogen hat. Georg hat ein bisschen was von Russell Crowe. Der Gedanke gefällt mir, und weil ich mich unbeobachtet fühle, betrachte ich ihn völlig ungeniert weiter. Als er sich dann aber plötzlich umdreht, schaue ich ertappt zur Seite, erwische aber prompt die falsche.
»Aua«, heule ich auf. Ich möchte bestimmt nicht vor Georg rumjammern, aber die Bewegung nach links tut verdammt weh.
»Was hast du?«
»Ach, ich weiß auch nicht. Ich glaube, dass ich mir einen Nerv eingeklemmt habe. Ich habe höllische Schmerzen, wenn ich versuche, den Kopf nach links zu drehen.«
»Lass mal sehen.«
Georg steht vor mir und greift vorsichtig mit seinen Händen links und rechts an meine Wangenknochen. Seine Daumen liegen dabei an meinem Kinn. Dann dreht er mich langsam erst zur einen, schließlich zur anderen Seite und macht »Hm.«
»Was, hm?«
»Das kriegen wir wieder hin. Aber dafür müssten wir in meine Praxis fahren.«
Ich schaue ihn fragend an.
»Ich bin Osteopath«, erklärt Georg mir, und als ich immer noch schweige, fügt er hinzu: »Physiotherapeut.«
Ich weiß, was ein Osteopath ist. Rici schwört auf ihren. Sie hatte nach Emmas Geburt ständig Rückenprobleme, die nach nur wenigen Behandlungen komplett verschwunden und nie wieder zurückgekehrt sind.
»Der drückt in meinen Bauch und in meinem Rücken lässt der Schmerz nach, unfassbar!«, hat sie geschwärmt. Daraufhin habe ich mich schlaugemacht und herausgefunden, dass Osteopathen nach der Ursache suchen und den Körper als Ganzheit betrachten. Da ich noch nie Rückenprobleme hatte, musste ich bisher zum Glück eine solche Behandlung nicht in Anspruch nehmen. Aber bei meinem jetzigen Zustand wäre das gar nicht schlecht. Ich kann meinen Kopf wirklich kaum bewegen. Aber wie weit kann ich denn Georgs Hilfe noch in Anspruch nehmen? Immerhin spielt er schon den Handwerker für mich.
»Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich dich so ausnutze.«
»So ein Quatsch. Außerdem kannst du es ja wieder gutmachen.«
»Wie denn?«
»Du kannst mich heute Abend auf ein Konzert begleiten. Ein Freund von mir spielt Schlagzeug in einer Band, und einmal im Jahr treten sie bei ihm im Garten auf. Nichts Großes, aber es ist immer ganz nett. Es gibt einen Getränkeverkauf, um den Spaß zu finanzieren. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn du mitkommst.«
Das Leben geht weiter, so hat es Karin vorhin ausgedrückt. Eigentlich bin ich immer noch müde, aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich mal wieder unter Leute gehe und nicht alleine in meiner Wohnung hocke. Auf der Party kennt mich niemand, und so wird mich keiner mitleidig anschauen und in diesem besonderen Tonfall fragen: »Und, Marly, wie geht es dir?« Außerdem ist es ein Konzert, da muss man sich nicht großartig unterhalten.
Georg ist sehr nett, hilfsbereit, sieht gut aus – und hat, wenn ich Glück habe, magische Hände, zumindest wenn man Rici glauben möchte. – Ben war mein bester Freund und ich habe ihn geliebt, aber eine Liebesbeziehung hatten wir nicht. Trotzdem bekomme ich ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, den heutigen Abend mit Georg zu verbringen. Aber sogar Nathalie hat sich ja wieder verliebt … Und außerdem ist es nichts weiter als ein gemeinsames Konzert, das er mit mir besuchen möchte.
Das von Herbert Grönemeyer habe ich ja definitiv verpasst. Also warum nicht?
»Okay, aber nur, wenn ich dich mindestens auf einen Wein einladen darf.«
»Darfst du.«
»Gut. Und wo ist deine Praxis?«
»Nicht weit von hier, wir sind in zehn Minuten da, aber jetzt bringe ich erst einmal deine Heizung wieder an die Wand.«
13
Wenn du meinen Rat haben willst: Schnapp ihn dir!
Wir beschlossen, mit den Rädern zu Georgs Musikerfreund Mick zu fahren, damit wir beide ein Gläschen Wein trinken können. Tilda ist bei Georgs Eltern, die gleich in der Nähe wohnen. Die Dogge steht nicht auf Punkrock, erklärte mir Georg. Ich eigentlich auch nicht, aber das ist mir momentan egal.
Ich kann meinen Kopf nämlich wieder nach links drehen. Außerdem weiß ich seit etwa einer Stunde, dass meine Gebärmutter schief sitzt, und bin mir nicht ganz sicher, was ich mit dieser Information anfangen soll. Mir war es fast ein wenig peinlich, als Georg mich fragte, ob er mich in meiner
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