Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Autounfall gestorben ist, dachte ich zuerst, ich sei schuld daran gewesen, weil er vielleicht versucht haben könnte, das Gespräch während der Fahrt anzunehmen. Ben hat oft beim Autofahren telefoniert, was häufig zu Diskussionen zwischen uns geführt hat. Mehrmals habe ich daran gedacht, ihm ein Headset zu schenken, habe es aber immer wieder vergessen, weswegen ich mir dann auch wieder Vorwürfe gemacht habe.
Erst später habe ich erfahren, dass Ben vom Flughafen aus mit dem Mietwagen zu einer Blumenhandlung gefahren ist. Als ich ihn zurückgerufen habe, war er anscheinend gerade dabei, die Margeriten für mich auszusuchen, und hat seinerseits meinen Anruf nicht gehört. Etwa zehn Minuten später war er nicht mehr am Leben. Er wurde am Steuer von einer Biene gestochen, was zu dem allergischen Schock führte. Ben geriet in Panik – und prallte auf der Gegenfahrbahn mit einem LKW zusammen. Er war sofort tot.
Ich wartete zu Hause auf ihn und machte mir erst gar keine Gedanken, als er nicht pünktlich da war. Ben war sehr unverlässig und kam fast immer zu spät. Eine halbe Stunde war völlig normal, die kalkulierte ich bei ihm immer ein. Als er aber mehr als eine Stunde drüber war, wurde ich sauer. Ich rief ihn auf seinem Handy an, aber es schaltete sich die Mailbox ein. Da wurde ich unruhig und versuchte es bei seinen Eltern, wo ich allerdings niemanden erreichte. Erst vier nicht enden wollende Stunden später klingelte mein Telefon.
»Ben?«, fragte ich damals.
»Marly«, sagte Bens Mutter und fing an zu weinen. In diesem Moment wusste ich es, wollte es aber nicht wahrhaben. »Ben hatte einen Autounfall, Marly. Er hat es nicht überlebt.«
»Nein, das kann nicht sein, er wollte doch heute zu mir kommen …«
Ich hörte, wie Karin tief durchatmete. »Doch, Liebes«, erklärte sie mir klar und deutlich. »Ben ist tot.«
Damals war ich entsetzt darüber, wie hart und scheinbar gefühlskalt sie diese Worte ausgesprochen hatte. Aber anders hätte ich das Unfassbare nicht verstanden. Bei der Erinnerung daran bekomme ich gleich wieder zitternde Knie. Aber diesmal reiße ich mich zusammen.
»Soll ich bei dir vorbeikommen?«, frage ich Bens Mutter.
Eine gute Stunde später sitze ich bei Karin auf der Couch und halte ihre Hand. Sie hat geschwollene Augenlider, gibt sich mir gegenüber aber relativ gefasst. Wie schwer muss es für sie sein, ihr einziges Kind verloren zu haben? Der Gedanke, dass Karin noch mehr leidet als ich, tut mir so weh, dass jetzt auch meine Tränen laufen. Schweigend sitzen wir eine Weile nebeneinander und weinen, dann lächeln wir uns halb blind an.
»Ich habe ihn anfangs mehrmals am Tag angerufen, weil ich seine Stimme hören wollte«, erkläre ich. »Ich musste mich zwingen, damit aufzuhören. Manchmal packte es mich dann aber doch wieder, und ich wähle seine Nummer. Solange das Handy aus ist, springt die Mailbox an. Sollen wir mal gemeinsam … Ich meine, möchtest du seine Stimme hören?«
»Das ist nett von dir, Schätzchen, aber das mache ich später, wenn ich alleine bin.«
Dass Karin dabei niemanden um sich haben möchte, kann ich gut verstehen. Ich würde sie so wahnsinnig gerne trösten, weiß aber nicht recht, wie. Dann fällt mir doch etwas ein. »Wenn ich irgendwann später einen Sohn bekommen werde, dann werde ich ihn auf jeden Fall Ben nennen.«
»Das würde mich freuen. Ben hat dich sehr geliebt.«
»Ich ihn auch.« Ich weiß, dass Karin eine andere Art von Liebe meint, deswegen schiebe ich noch ein »Er war wie ein Bruder für mich« hinterher. Aber ich täusche mich.
»Er hat dich wirklich geliebt, Marly, das konnte ich sehen. Ich habe immer darauf gewartet, dass es ihm endlich klar wird, aber dann kam plötzlich Nathalie dazwischen. Sie hat ihm regelrecht den Kopf verdreht.«
Dass Bens Mutter davon ausgeht, Ben habe mich geliebt, freut mich, versetzt mir aber auch einen kleinen Stich. Immerhin wollte er Nathalie heiraten.
»Er hat mir nicht erzählt, dass er sie heiraten wollte«, gebe ich ganz offen zu.
»Dann hast du es durch mich erfahren?«
»Ja«, antworte ich. »Und weißt du was? Ich wollte es Ben sagen … Ich meine, ich habe so sehr an diesem Tag auf ihn gewartet, weil ich ihm sagen wollte, dass ich ihn … liebe. Und ich liebe ihn immer noch.«
Mitfühlend drückt Karin meine Hand. »Danke, dass du mir das anvertraut hast, Marly. Es ist schön zu wissen, dass Ben geliebt wird. Dadurch bleibt er immer ein Teil von uns. Es ist besonders schwer, wenn ein
Weitere Kostenlose Bücher