Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
sich geht, betritt Rici das Treppenhaus und nimmt mich tröstend in den Arm. Der Kater flitzt an ihren Füßen vorbei nach draußen.
Ich drücke ihr mit großen Augen den Brief in die Hand. »Das Ticket hier ist für einen Flug nach Inverness, Rici. Ben will, dass ich ihn besuche … Ich muss noch meine Sachen packen, aber es geht ganz schnell. Fährst du mich?«
Ich lasse sie einfach stehen und gehe ins Schlafzimmer an meinen Kleiderschrank, ziehe meinen Koffer hervor und werfe ein paar Klamotten hinein.
»Das hast du nicht wirklich vor, oder?«, fragt Rici, die mir hinterhergelaufen kommt, entsetzt. »Wer um Himmels willen ist denn so geschmacklos, dir einen derartigen Brief zu schreiben? Du glaubst doch nicht ernsthaft, er ist wirklich von Ben?«
»Nein, eigentlich nicht. Oder doch. Ich weiß, dass es unmöglich ist. Und ich habe gerade gewaltig Angst durchzudrehen. Aber irgendwas treibt mich dazu an, dem Ganzen spontan nachzugehen.«
»Ich weiß nicht, Marly. Ich habe ehrlich gesagt überhaupt kein gutes Gefühl dabei. Ich mach mir Sorgen um dich.«
»Wenn du mich nicht fährst, rufe ich ein Taxi. Ich muss das machen, Rici. Ich kann dir auch nicht genau erklären warum. Ich fühle nur, dass es wichtig für mich ist. Und wenn ich nicht fliege, werde ich mich mein Leben lang fragen, was dort in Schottland abgelaufen wäre. Ich würde es mir nie verzeihen, jetzt zu kneifen.«
»Versprich mir, dass du zurückkommst!«
»Warum sollte ich dort bleiben?« Ich ging ins Bad.
»Keine Ahnung, das ist nur so ein Gefühl.«
Meine Freundin hat wirklich Angst um mich. Das kann ich gut verstehen, trotzdem packe ich weiter unnachgiebig meinen Toilettenbeutel. »Der Rückflug ist in drei Tagen. Länger bleibe ich nicht weg, versprochen. Kannst du bitte Caruso jeden Tag sein Futter hinstellen?«
Bevor Rici gekommen ist, habe ich regungslos den Brief mindestens zehnmal durchgelesen und jedes Mal wieder festgestellt, dass er in Bens Handschrift verfasst ist. Niemand sonst zieht die Anfangsbuchstaben nach oben und unten so in die Länge wie er. Ich gehe also davon aus, dass die Einladung tatsächlich aus Bens Feder stammt. Mein erster Gedanke war, Ben könne das alles bereits vor seinem Tod geplant haben. Da er allerdings nie gerne lange Zeit im Voraus Pläne geschmiedet hat, verwarf ich den Gedanken wieder. Dann ist mir ein ganz ungeheuerlicher Gedanke gekommen.
Was, wenn Ben noch lebt? Ich habe seinen toten Körper nie gesehen. Es könnte ja doch ein anderer in seinem Sarg gelegen haben. Immerhin halte ich Bens Brief und das Flugticket in meinen Händen.
Vielleicht ging ihm das mit der Verlobung doch zu schnell und er hat deswegen das Weite gesucht? Nein, so etwas würde Ben seinen Eltern niemals antun, und mir auch nicht. Er hätte wenigstens uns Bescheid gesagt. Aber es könnte doch sein, dass er es gar nicht mitbekommen hat, weil er sein Gedächtnis verloren hat. So was soll vorkommen.
Ich weiß, dass Ben nicht mehr am Leben ist. Trotzdem finde ich immer mehr Gründe dafür, dass ich mich vielleicht doch irre.
Ich muss der Sache auf den Grund gehen und fliegen. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass Ben mich am Flughafen in Schottland abholt …
Wir sitzen schon im Auto, als mein Handy klingelt. Auf dem Display sehe ich, dass es Georg ist.
»Das hätte ich Georg niemals zugetraut«, sage ich unglücklich, und Rici streichelt mitfühlend über meinen Arm. Dann schalte ich mein Telefon aus, und wir fahren los.
Am Düsseldorfer Flughafen herrscht lebhafter Betrieb. Zum Glück kenne ich mich einigermaßen aus, und wir finden schnell den richtigen Check-in-Schalter. Meine Freundin umarmt mich, und ich mache mich auf den Weg zur Sicherheitskontrolle. Da fällt mir noch etwas ein, und ich rufe ihr noch mal hinterher.
»Ich weiß nicht, ob sie mir im Krankenhaus telefonisch Auskunft über Hilde geben. Ich versuche es jedenfalls. Aber wenn nicht, könntest du dann bitte bei Georg nachfragen? Ich möchte in jedem Fall wissen, was mit ihr ist …«
»Mach ich, versprochen. Und melde dich bei mir, sobald du dort bist. Sag mir auf jeden Fall, was das alles zu bedeuten hat. Wenn dir irgendetwas auch nur ansatzweise merkwürdig vorkommt, setz dich ins nächste Flugzeug und komm zurück. Ich sollte dich eigentlich sowieso nicht alleine fliegen lassen. Vielleicht ist ja noch ein Platz frei. Warte, ich frag mal schnell nach …«
Dass Rici spontan beschließt, mich zu begleiten, freut mich unwahrscheinlich. Während
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