Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
treffen würde. Aber Ben ist tot.
Unglücklich rolle ich mich im Bett zusammen und breche in Tränen aus. Weil Ben mir noch immer sehr fehlt, weil ich ihm nie gesagt habe, wie sehr ich ihn liebe – und weil ich plötzlich eine ganz diffuse Angst in mir fühle.
»Hätte ich es ihm doch nur früher gesagt«, schluchze ich und starre blinzelnd an die Decke, in der Hoffnung, Ben könnte von oben zu mir heruntersehen. Dabei durchzuckt mich plötzlich ein Gedanke, der mich erstarren lässt. Was, wenn Georg etwas zustößt? Und wenn ich dann auch nie mehr die Gelegenheit dazu bekäme, ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde? Er bewundert meine Offenheit, und dass ich immer ehrlich bin, aber die eine , die wichtigste Sache, habe ich ihm bisher verschwiegen – dass ich ihn liebe. Ben wird immer einen Platz in meinem Herzen behalten, aber Georg liebe ich auch, das spüre ich.
Ohne weiter darüber nachzudenken, springe ich auf und greife nach den Autoschlüsseln. Nur eine Minute später sitze ich im Auto und fahre los. Georg ist um diese Uhrzeit in seiner Praxis. Die Fahrt dauert nur zehn Minuten. Zehn Minuten, in denen mein Herz laut klopft vor Aufregung, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben die magischen drei Worte aussprechen werde.
Ich sehe die beiden, kaum dass ich in der Parklücke stehe. Georg steht nah bei einer Frau mit dunklem, langem Haar. Er umgreift ihr Gesicht, beugt sich zu ihr herunter und küsst sie zärtlich auf den Mund. Dann zieht er sie an sich heran und hält sie fest im Arm – Rebecca, ich habe keinen Zweifel. Georg hat mir mal ein Foto von ihr gezeigt, als ich ihn darum gebeten habe.
Wie in Trance starte ich das Auto wieder und fahre los. Ich schaue nicht zurück, ich möchte einfach nur weg. Alles, was ich momentan fühle, ist Eiseskälte, die sich langsam in mir ausbreitet und mich trotz sommerlicher Temperatur frösteln lässt – und das trügerische Gefühl, dass das eben Gesehene ein böser Traum gewesen sein muss . Aber ich träume nicht, wie ich kurz darauf feststelle, denn als ich um die Ecke biege, sehe ich den Rettungswagen vor unserem Haus stehen. Eine Frau wird auf einer Bahre aus dem Haus getragen. Bitte lass es nicht Hilde sein, bitte lass es nicht Hilde sein …
»Es ist eine schwere Sepsis«, sagt der Arzt später im Krankenhaus zu mir, nachdem ich mich ihm als Nachbarin und enge Vertraute vorgestellt habe.
»Das heißt?« Voller Angst warte ich auf die Antwort. Ich wusste es, ich habe es gespürt, dass irgendetwas Schlimmes geschehen würde.
»Blutvergiftung. Ihre Organe haben versagt. Wir haben Frau Schuster in ein künstliches Koma versetzt. Ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen, aber Sie müssen sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass sie nicht wieder aufwachen wird. Sie bekommt ein Antibiotikum, und wir können nur hoffen, dass es rechtzeitig anschlägt.«
»Darf ich sie sehen?«
»Tut mir leid, momentan nicht. Sie liegt auf der Intensivstation – und Sie gehören nicht zur Familie. Wissen Sie, ob es nahe Angehörige gibt, die wir informieren müssen?«
»Sie ist Witwe und hat keine Kinder. Aber es gibt einen Neffen, Georg Sander …«
Heute Morgen schien meine Welt noch halbwegs in Ordnung, jetzt ist sie komplett aus den Fugen geraten. Ich fühle mich so leer, dass ich noch nicht einmal weinen kann. Dass Georg mir das Herz gebrochen hat, hätte ich vielleicht irgendwann verkraftet, aber die Sache mit Hilde raubt mir fast den Verstand. Ich brauche jetzt unbedingt einen Menschen in meiner Nähe, der mich einfach nur in den Arm nimmt.
Ich rufe Rici an. »Kannst du zu mir kommen? Es sind schreckliche Dinge passiert. Ich habe Georg mit Rebecca erwischt. Und Hilde ist …«
Meine Freundin macht sich sofort auf den Weg, und keine zehn Minuten später klingelt es an meiner Tür. Doch als ich öffne, steht nicht Rici draußen, sondern mein Blick fällt auf Caruso, der neben einem Kübel voller Margeriten sitzt und mich von unten herauf anmaunzt. Völlig überwältigt gehe ich in die Knie, greife nach dem großen Umschlag, der in den Blumen steckt, und reiße ihn mit zittrigen Fingern auf.
Marly, meine liebe Marly,
heute ist unser Tag. Pack deinen Koffer,
lass dich von Rici zum Flughafen bringen
und fliege los.
Das Ticket findest du in dem Umschlag.
Denk nicht nach, Marly, tu es einfach!
Halte dich links, wenn du gelandet bist.
Du wirst auf jeden Fall abgeholt.
Ich freue mich sehr auf dich!
Ben
Bevor ich überhaupt begreife, was hier vor
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