Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
hast deine politische Einstellung auf sämtliche Kleidungsstücke gekritzelt.«
»Klar, das weiß ich noch ganz genau. Aber es war nur eine einzige Demo, und du warst auch dabei. Doch anstatt dich für den Frieden einzusetzen, hast du dich in diese Natascha verliebt und nur blödes Zeug geredet, um ihr zu imponieren.«
»Stimmt, das war die Kleine, die mich mit ihren Räucherstäbchen fast in den Wahnsinn getrieben hat. Dass du das noch weißt! Mir wäre noch nicht einmal mehr ihr Name eingefallen.«
»Das weiß ich noch so genau, weil du in der Zeit ständig nach Patschuli oder Weihrauch gerochen hast.«
Aber auch die Namen der anderen Frauen, die in Bens Leben eine Rolle gespielt haben, kenne ich alle. Und das waren nicht wenige. Trotzdem kann ich mich an jede Einzelheit erinnern, die er mir über seine Mädels erzählt hat. »Natascha hatte ein Piercing am linken Nasenflügel.«
»Stimmt, jetzt wo du es sagst … Du siehst auf jeden Fall süß aus, wie du da strahlend am Bahngleis stehst.«
»Ich habe mich mehr verändert als du«, stelle ich fest, als ein schlaksiger Typ mit rotem Haar aus dem Zug steigt.
Der junge Ben im Film sieht immer noch fast genauso aus wie der, der jetzt lang ausgestreckt neben mir auf der Couch liegt. Er dreht den Kopf zu mir.
»Du bist noch schöner geworden, Marly. Dein Gesicht hat jetzt viel mehr Ausdrucksstärke. Und du hast eine tolle Figur bekommen.«
»Danke«, sage ich und erröte leicht. Ben hat mir nie großartige Komplimente gemacht. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass er mich jemals als schön bezeichnet hat. Das Gefühl, sich jetzt nach so vielen Jahren selbst wiederzusehen, ist schwer zu beschreiben. Es ist mehr als nur eine Filmaufnahme, die ich mir da gerade zusammen mit Ben anschaue. Es ist eine Reise in unsere gemeinsame Vergangenheit, die mich einerseits zum Lächeln bringt, andererseits aber auch zu Tränen rührt.
Ich war wahnsinnig aufgeregt, als ich am Bahnsteig auf Ben wartete. Er hatte schon damals das seltene Talent, immer dann zu spät zu kommen, wenn Pünktlichkeit wichtig war. Wir wohnten beide noch in Düsseldorf und hatten gerade unsere Abiprüfungen hinter uns gebracht, als wir an unserem ersten verabredeten Freitag, den Dreizehnten, etwas Besonderes erleben wollten. Also beschlossen wir, mit getrennten Zügen nach Amsterdam zu fahren. Ben hatte uns ein Hotelzimmer in der Innenstadt gebucht. Nicht einfach irgendeine Jugendherberge, sondern ein feudales Doppelzimmer mit allem Drum und Dran.
Plötzlich rauscht der Bildschirm und wird schwarz.
Bevor ich mich beschweren kann, tauchen bunte tanzende Buchstaben auf dem dunklen Hintergrund auf.
Freitag, der Dreizehnte
Besetzung: Marly, Ben und einige Gastrollen
Schnitt: Liane und Ruby
1. Treffen vor neun Jahren: Amsterdam
Es geht weiter. In der ersten Einstellung spazieren wir ganz selbstverständlich in einen Coffeeshop. Darin sieht es aus wie in einem gewöhnlichen Café mit ganz normalen Leuten, nur dass es eben sehr verqualmt ist. An einem Bistrotisch zieht eine Oma mit faltigem Gesicht an einem Joint und schließt dabei genussvoll die Augen. Als sie sie wieder öffnet, schenkt sie uns ein Lächeln.
»Komm«, sagt Ben und zieht mich zur Theke. Dort kann man zwischen verschiedenen Sorten Gras wählen, die in gläsernen Schubladen präsentiert werden. »Was nehmen wir?«
»Amnesia Haze.« Überrascht drehen wir uns um. Der Tipp kam von der alten Frau.
Mit Material versorgt sitzen wir kurz darauf an ihrem Tisch. Sie zeigt uns, wie man die Dinger dreht – und auch raucht. Beim ersten Zug verschlucke ich mich fürchterlich, aber danach wird es besser.
Hier gibt es einen Schnitt, dann sieht man uns breit grinsend aus dem Coffeeshop kommen.
Das war das erste und letzte Mal, dass ich gekifft habe, das habe ich nach meinem anschließenden Auftritt in der Karaoke-Bar geschworen und mich immer daran gehalten. Dass Liane und Ruby diesen Filmausschnitt ebenfalls ausgesucht haben, war ja irgendwie klar. Irgendwie scheine ich dem hier nicht zu entkommen.
Gut, dass Ben nicht schon früher an diese Aufnahme gekommen ist, sonst hätte er mich bestimmt täglich damit aufgezogen. Ich sehe aber auch zum Schießen aus, wie ich auf der Bühne stehe und anstatt zu singen einfach nur meinen Zeigefinger anstarre. Und dann fange ich auch noch an, mich mit ihm zu streiten. Ich sage ihm, dass er gefälligst aufhören soll, mich so unverschämt anzuglotzen. Dabei bin ich diejenige, die ihn mit weit
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