Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
Landschaft drumherum wirkt im Gegensatz dazu sehr weich mit ihren sanften Hügeln und Feldern, die sich scheinbar endlos in die Ferne erstrecken. Ich mag Gegensätze. Wie sagte Hilde noch? Gleich und Gleich gesellt sich gern, Gegensätze ziehen sich an. Schottland gleicht der Freundschaft zwischen Ben und mir. Ben ist wie das tosende Wasser, das immer in Bewegung ist und laut auf sich aufmerksam macht. Und ich bin wie die grünen Hügel, die still und gleichmäßig die Landschaft prägen.
Wir gehen erst eine Weile auf einem kleinen Schlängelweg, der sich die Klippen entlangzieht. Als man einmal besonders weit aufs Meer hinausblicken kann, machen wir eine Pause. Ben stellt sich hinter mich und hält mich ganz fest in seinen Armen. Ich schließe die Augen und fühle, wie winzig kleine Tröpfchen Meerwasser mein Gesicht benetzen, wie sie sich mit meinen Tränen vermischen.
»Alles wird gut«, sagt Ben, als er spürt, dass ein Schluchzen meinen Körper beben lässt.
Seit ich hier bin, habe ich kaum mehr an Georg gedacht. Aber ganz plötzlich, durch den Körperkontakt mit Ben, fühle ich mich ihm so nah und dabei trotzdem so fern, dass es wehtut.
»Und jetzt erzählst du mir endlich, was dich so verdammt traurig macht, Marly. Hast du Liebeskummer? Komm, ich spür doch, dass dich irgendetwas total beschäftigt. Lass uns zurückgehen.«
Schon verrückt. Vor sechs Wochen hat Georg mich in seinen Armen gehalten, um mich wegen des Verlusts meines besten Freundes zu trösten, und jetzt ist es genau umgekehrt. Mit einer dampfenden Tasse Tee zwischen meinen Händen sitze ich mit Ben auf meinem Bett und erzähle ihm von Georg. Wie alles anfing und wie alles aufhörte.
Ben hört mir aufmerksam zu. Ab und an lächelt er oder stellt eine Zwischenfrage.
»Caruso hat eine Riesendogge gejagt, und Ruby will angeblich nichts damit zu tun gehabt haben?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ja, so ist es. Aber es kommt noch besser …«
Ich erzähle weiter bis zu dem Moment, in dem ich Georg mit Rebecca in inniger Pose vor der Praxis gesehen habe.
»Den Rest kennst du ja. Dann fand ich deinen Brief und den Kübel voll Margeriten vor der Tür …«
»Ich wusste doch schon immer, dass du auf ältere, dickliche Männer stehst.«
»Er ist nicht dick-lich«, schniefe ich beleidigt.
»Du liebst ihn.«
»Ich habe gedacht, dass ich ihn liebe. Aber das ist vorbei.«
»Doch, du liebst ihn. Und weißt du, was ich an der ganzen Sache nicht begreifen kann, Marly?«
»Was?«
»Dass du keinen einzigen Gedanken daran verschwendest, um ihn zu kämpfen. Du ergibst dich einfach deinem Schicksal und leidest.«
»Was gibt es da noch zu kämpfen? Die Situation war eindeutig, Ben!«
»Du solltest ihn zur Rede stellen, wenn du zurück bist. Nur dann weißt du, was wirklich Sache ist. Du nimmst doch sonst auch kein Blatt vor den Mund und sagst immer, was du denkst. Das habe ich schon immer an dir bewundert. Und jetzt gibst du einfach so auf, ohne die Hintergründe zu kennen? »
»Und wenn schon. Vielleicht bereut er dann ja alles, beteuert, wie schön es mit mir war, und schwört, dass ihm so etwas nie wieder passieren wird. Die Leier kenne ich schon. Die hat mein Vater bei meiner Mutter damals auch abgezogen. Und jetzt hat er sie tatsächlich schon wieder enttäuscht. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine dreiste Nummer er mit ihr abgezogen hat. Und sie ist prompt schon wieder auf ihn reingefallen. Mir passiert das ganz bestimmt nicht.«
»Marly, Georg ist nicht dein Vater, und du bist nicht deine Mutter.«
»Ich weiß, aber ich komme einfach nicht gegen das Gefühl an. Irgendwie habe ich mich wieder wie mit siebzehn gefühlt, als ich meinen Vater mit der Nachbarin erwischt habe. Sie hatte auch dunkle, lange Haare. Es scheint so, als würde sich alles wiederholen.«
»Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass du dich in einem Menschen so getäuscht hast, dem du bedingungslos dein Herz geschenkt hast. Fast könnte ich ja ein bisschen neidisch werden …«
»Echt?«
»Ja, ich gebe zu, ich bin eifersüchtig. Ich habe dich noch nie über einen Mann so reden hören wie über deinen Georg. Alle anderen waren bisher kleine Nummern gegen ihn.«
»Er ist nicht mehr mein Georg , wahrscheinlich war er es noch nie. Außerdem bist du hier derjenige, der eine andere Frau heiraten wollte.«
»Ehrlich gesagt, bin ich mir da auch gar nicht mehr so sicher. Ich war zwar wirklich bis über beide Ohren in Nathalie verliebt. Sie war
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