Im Himmel mit Ben: Roman (German Edition)
hat, meldet sich Sarah zu Wort. »Wow, das ist ja irre. Ich beneide euch, ehrlich.« Dann sieht sie Ben an. »Kann ich so lange hierbleiben?«
»Klar. Wir können für heute Abend ein paar Leute einladen und uns die Realityshow über die Familie Kuntz aus Hanau ansehen. In der letzten Folge hat die blonde Tochter beschlossen, Popstar zu werden, obwohl sie gar nicht singen kann. Und die Mutter hat ihren Mann auf Diät gesetzt, aber er futtert immer heimlich beim Nachbarn. –Hast du Lust? Wir müssten nur ein paar Snacks vorbereiten.«
»Ja, gern, hört sich gut an.«
Eigentlich würde ich auch gerne mit den Engeln fernsehen, aber vielleicht ergibt sich dazu ja noch eine Gelegenheit. In den Nebenhimmel komme ich aber wahrscheinlich so schnell nie wieder. Die Sache mit dem Himmel auf Erden ist an sich schon irgendwie schräg. Wir sitzen hier in John o’Groats, in Bens Pub, so als wären wir wirklich in Schottland. Alles wirkt echt und wie das normale Leben. Aber jetzt dürfen wir den richtigen Himmel besuchen, den, in dem die Engel wohnen.
Sarah und Ben begleiten uns bis zum Paternoster. Das Ding steht mitten in der Landschaft in einen Hügel eingelassen. Als ich hier angekommen bin, ist mir das gar nicht weiter aufgefallen. Ich war so mit den ganzen anderen Eindrücken beschäftigt, dass ich mich nicht einmal mehr umgedreht habe. Und jetzt stehe ich wieder hier und betrachte verblüfft unser Transportmittel.
Automatisch bin ich davon ausgegangen, dass wir damit weiter nach oben in den Himmel fahren, doch die Aufwärts-Kabinen sind alle mit einer dicken, weißen Kordel verschlossen.
»Nicht, dass wir noch in der Hölle landen!«, sage ich, denn ganz wohl ist mir bei der Sache wirklich nicht. Ich habe damit gerechnet, hier auf Ruby zu treffen, aber alle Kabinen sind leer. Eine nach der anderen gleitet nach unten, ohne dass ein Passagier darin zu sehen ist.
Ich bin froh, dass ich nicht alleine einsteigen muss.
»Komm, Marly«, fordert Gabriel mich auf und greift nach meiner Hand. Fast im Gleichschritt setzen wir den Fuß in die Kabine.
»Viel Spaß!«, ruft Sarah.
Ben kennt mich gut. Er sieht mir an, was gerade in mir vorgeht. »Hab keine Angst, Marly, es wird sicher sehr schön. Ruby wartet …« Den Rest höre ich nicht mehr.
An der Paternosterinnenwand blinken übereinander angeordnete Lämpchen. Ganz oben leuchtet ein Schild mit der Aufschrift John o’Groats.
Geräuschlos gleiten wir nach unten, und die schottische Landschaft verwandelt sich in einen milchigen Himmel.
»Genauso sah es aus, als ich aus dem Fenster des Flugzeugs gesehen habe. Weißt du noch? Du hast gesagt, es sei Nebel.«
Als ich bemerke, dass ich noch immer Gabriels Hand halte, lasse ich sie schnell los. Gabriel tritt ganz dicht an den Rand des Paternosters und streckt weit seinen Arm in das milchige Zeug.
»Pass auf!«, sage ich »Nicht, dass du rausfällst.«
»Ich bin vorsichtig.«
»Und?«
»Hm. Es fühlt sich an wie ganz normale Luft. Aber auch irgendwie nicht. Es gibt keinen Lufthauch, wenn ich den Arm hin und her bewege. So, als würde hier kein Lüftchen wehen.«
»Lass mich auch mal. Hältst du mich fest? Ich hab nämlich das seltene Talent, in den unmöglichsten Momenten zu stolpern oder auszurutschen.«
Gabriel hakt sich unter. Dann kremple ich meinen Ärmel hoch und strecke vorsichtig meinen Arm ein kleines bisschen nach draußen.
»Ich glaube, das ist nicht wie normale Luft. Meine Haut kribbelt ein bisschen davon.« Fasziniert betrachte ich meinen Arm. Die blonden kleinen Härchen darauf flimmern, als würden sie die Sonne reflektieren. Aber von der ist weit und breit nichts zu sehen.
»Guck mal, deine Haut schimmert jetzt auch«, sagt Gabriel, und ich ziehe den Arm schnell zurück. Hier im Paternoster sieht er wieder ganz normal aus. Erleichtert atme ich auf.
»Was meinst du, Marly? Wie sieht es wohl im richtigen Himmel aus?«
Die Frage überrascht mich. »Keine Ahnung. Ich hab ja bisher noch nicht einmal daran geglaubt, dass es ihn wirklich gibt. Vielleicht eine wunderschöne, bunte Landschaft mit fantastischen Pflanzen und Tieren? So ähnlich jedenfalls stelle ich es mir vor. Und du, hast du ein Bild im Kopf?«
»Ehrlich gesagt übersteigt es meine Vorstellungskraft. Vielleicht habe ich dafür auch einfach nicht genügend Fantasie. Aber es wäre mir letztendlich auch egal, wie es dort aussieht. Ich würde mir nur wünschen, später dort mit den mir wichtigen Menschen bis in alle Ewigkeit bleiben zu dürfen.
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