Im Hyperraum
voneinander abhängig, wenn sie ihre
Schiffe durch die Strömungen, Riffe und Untiefen des Flux steuerten.
Indem man im Flux navigierte â ein Gebiet in einer anderen Dimension,
angefüllt mit Geheimnissen und Phantasien â vermochten die
Sternenschiffe physisch gewaltige Entfernungen im All zurückzulegen.
Und
um ein Schiff zu lenken, mussten die Rigger eine Einheit bilden, nicht
nur kooperieren wie die Crew irgendeines Schiffs, sondern wie Künstler,
untereinander verbunden in psychischer Ãbereinstimmung. Indem sie
Intuition und innere Visionen teilten, zu einem funktionierenden
Kollektiv verschmolzen, lenkten sie ihre Schiffe. Während der
Ausbildung war es eine schwierige Herausforderung, Simulationen aus den
Bibliotheken zu fliegen, sich durch Tausende von echten und gestellten
Routen zu lavieren. Im Raum verdoppelte sich indes die Spannung, denn
es handelte sich nicht um eine Ãbung, und Menschenleben standen auf dem
Spiel â und letzten Endes war ein realer Einsatz unendlich lohnender
als jede Simulation.
Während ihres ersten Fluges und
denen, die darauf folgten, lieà Jael jeden Ballast hinter sich; sie
vergaà ihre Ãngste und Nöte, ihre Probleme in der richtigen Welt, ihre
Familie, das Geschäft, den in Verruf geratenen Leumund. All diese
Belastungen lösten sich in ein Nichts auf, sowie sie das Rigger-Netz
betrat und die Fäden des Realraums, die des Flux und ihre Phantasie
miteinander verknüpfte ⦠um eine Welt zu schaffen, die so täuschend
konkret wirkte, dass das Raumschiff so sicher hindurchglitt wie durch
das Vakuum und die Schwerelosigkeit des Normalraums. Auf ihrem ersten
Flug hatten sie und ihre Crewkameraden das Schiff durch das zauberhafte
Unterwasserreich eines tropischen Meeres geführt, durch warme Gewässer
von einem kristallklaren Blau. Und wo waren diese Crewkameraden jetzt,
ihre Mitstudenten? Alle unterwegs, irgendwo zwischen den Sternen.
»Aufgepasst, Leute, ich hab hier ein paar neue Angebote!«
Einen
Moment lang war sie sich nicht sicher, ob die Stimme aus ihrer
Erinnerung kam oder von drauÃen. Sie öffnete die Augen und blinzelte,
bis sie scharfe Konturen sah. Mitten in der Lobby stand ein Ordner, die
Angebotstafel in der Hand. Er rief die Posten aus, die besetzt werden
sollten.
Jael schüttelte sich, bis sie hellwach war und hörte zu.
»â¦
eine Zwei-Rigger-Crew für eine Expresstour durch Aeregia Minor, mit
Zwischenstopps auf Parvis III und Chaening's Outpost. Dann brauchen wir
eine Vier-Rigger-Crew für eine Stellung auf einem Passagierkreuzer;
Bewerber müssen ein komplettes Screening und sämtliche Tests
durchlaufen. Und dann hätten wir noch zwei Jobs für Single-Rigger,
einmal Frachter und einmal Kurier.« Der Ordner legte eine Pause ein und
blickte in die aufmerksamen, finsteren Gesichter. »Keine Drängelei â
und bitte nicht anstellen, wenn die nötigen Qualifikationen fehlen«,
schloss er; dann drehte er sich um und verschwand im Büro.
Jael
stand auf, zusammen mit mindestens der Hälfte der anwesenden Rigger. Es
gab einen Wettlauf zu dem halben Dutzend ID-Scannern und einiges
Gerangel, doch dann reihte sie sich in eine Schlange ein. Die Frau vor
ihr wandte den Kopf und maà sie mit einem skeptischen Blick; doch sie
zuckte lediglich die Achseln und enthielt sich jeden Kommentars. Jael
runzelte die Stirn und ignorierte demonstrativ die zweifelhafte
Aufmerksamkeit, die man ihr zollte, bis sie an die Reihe kam, ihr
ID-Armband in den Scanner zu schieben. Nervös mit den Fingern
trommelnd, wartete sie ab.
Der Sichtschirm fing an zu blinken und zeigte den Text:
Leider können wir Ihre Bewerbung für eine der aktuellen freien Positionen nicht berücksichtigen.
Jael
starrte auf die Worte. Seit nunmehr drei Monaten, seit ihrem letzten
Flug, erhielt sie nichts als Absagen. Es wäre etwas anderes gewesen,
wenn man ihr die Bewerbung für eine Stelle verweigert hätte, für die
sie nicht qualifiziert war; doch man lehnte sie ständig ab, gönnte ihr
nicht einmal die Chance, ihr Können zu beweisen.
»He,
willst du den ganzen Tag da stehen bleiben?«, schimpfte jemand hinter
ihr. Jael drehte sich um und funkelte die Sprecherin wütend an. »Was
hat du denn erwartet?«, meinte die Frau zynisch. »Versuch's doch mal
auf der anderen Seite! Dort gehörst du schlieÃlich hin, nicht wahr?«
Ich
weià auch nicht, was ich erwartet
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