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Im Hyperraum

Titel: Im Hyperraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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ihnen hilflos ausgeliefert war.
Sie entsann sich an Wut und Leiden, an Einsamkeit und Frustration. Die
Gefühle entfesselten einen wahren Zyklon in ihrer Seele, einen Sturm,
der sie vermutlich in den Flux geweht hätte, wäre da nicht Highwing
gewesen, der sie beschützte. Sie gewahrte kaum die Bergspitzen, die zu
beiden Seiten dahinhuschten, finster und grimmig die Nacht
durchstoßend; sie sah weder die Wolken, die von den Gipfeln aufgespießt
wurden, noch die Sterne, die wie Diamanten funkelten und sich dann zu
eigentümlichen, spinnwebartigen Linien ausdehnten – eine Reaktion auf
ihre rasante Geschwindigkeit – und auf ihre zunehmende Ermüdung im
Rigger-Netz.
    Im Brausen des Windes hob sie schließlich
den Kopf und richtete sich über dem Hals des Drachens auf; zu ihrem
Schreck bemerkte sie, wie erschöpft sie war, und dass sie viel zu viele
Stunden im Netz ausgeharrt hatte. Wohin fliegen wir?, flüsterte sie, außerstande, lauter zu sprechen.
    Wir sind unterwegs zu deinem angesteuerten Ziel, erwiderte der Drache.
    Wenn ich das Netz verlasse und mich schlafen lege – könntest da dann bei meinem Schiff bleiben, bis ich zurückkomme?
    Noch
während sie sprach, merkte sie, dass das Netz in verzerrten Farben
flackerte. Sie verlor ihre Fähigkeit, das Netz zu kontrollieren; sie
musste schleunigst heraus. Bei der Vorstellung spürte sie einen
unerklärlichen Schmerz, ein Gefühl der Verlassenheit. Es widerstrebte
ihr, sich von Highwing zu trennen.
    Ich bleibe hier.
    Seufzend
nahm Jael all ihre Kraft zusammen und änderte ein wenig das Bild; nun
war das Schiff durch das Netz mit ihr verbunden – lediglich der
geisterhafte Bug ragte aus dem Nichts in den Flux hinein. Die
Stabilisatoren verankerte sie an Highwing. Das sollte uns zusammenhalten. Bis später dann.
    Der Drache blies eine Rauchwolke aus. In Ordnung.
    Jael
zog sich zurück. Ihre Sinne trübten sich ein, begleitet von einem
Schwindelanfall – und erwachten in ihrem Körper zu neuem Leben. Sie
kletterte aus der Rigger-Station und stand, vor Erschöpfung zitternd,
auf der abgedunkelten Brücke des Sternenschiffs. Als sie sich dehnte
und streckte, knackten ihre Gelenke; sie hatte sehr lange regungslos in
der Rigger-Zelle gelegen – länger, als sie es für möglich gehalten
hätte. Hatte Highwing sie dazu befähigt? Oder verstärkte der Pallisp
tatsächlich ihre Kompetenz und Ausdauer im Netz? Abgekämpft zuckte sie
die Achseln. Im Grunde war es ihr einerlei.
    Sie
verspürte einen Heißhunger, der ihre Müdigkeit noch in den Schatten
stellte. Verstohlen schlich sie sich in die Kombüse und verschlang eine
fade Mahlzeit aus Fisch, Gemüse und Brot. Jeden Moment rechnete sie
damit, dass ein zorniger Mogurn in den Raum platzte und sie
beschimpfte. Doch als sie zu Ende gegessen hatte und er immer noch
nicht auftauchte, fing sie an, sich zu sorgen.
    Er hatte
darauf gebrannt, sie zur Rede zu stellen, seine Wut an ihr auszulassen.
War es möglich, dass der Tod des virtuellen Mogurn im Netz … nein, das
war albern. Vielleicht sollte sie sich einfach zur Ruhe begeben und
sich später über Mogurns Abwesenheit wundern. Doch so leicht ließ sich
Mogurns Fernbleiben nicht ignorieren, und er hatte ihr ausdrücklich
befohlen, sie solle in seine Kabine kommen. Mit vor Angst zugeschnürter
Kehle räumte sie ihr Essgeschirr weg und pirschte auf Zehenspitzen
durch den Schiffskorridor.
    Sie stahl sich an Mogurns
Kabine heran, und nach langem Zögern drückte sie auf die Signaltafel.
Keine Antwort. Sie machte die unverriegelte Tür transparent und spähte
hindurch. Bewusstlos hing Mogurn unter seinem synaptischen Optimierer,
die Augäpfel verdreht, den Mund zu einem blöden Grinsen verzerrt. Er
wirkte so leblos, dass sie einen Moment lang allen Ernstes glaubte, er
könnte tot sein; aber nein, seine Brust hob und senkte sich in
langsamen, flachen Atemzügen. Offenbar hatte er ihre Hilfe nicht
abwarten können, so süchtig war er nach seinem Optimierer. Oder er war
so aufgebracht gewesen, dass er nach dieser Erleichterung lechzte.
    Jael
furchte die Stirn und dachte unwillkürlich an den Pallisp. Sie
vergegenwärtigte sich, dass sie ihn in diesem Augenblick nicht wirklich
brauchte oder wollte. Das ist gut, sagte sie sich. Sehr gut sogar. Ehe
sie in die Messe zurückkehrte, hinterließ sie eine kurze Notiz für
Mogurn, in der sie ihn

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