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Im Hyperraum

Titel: Im Hyperraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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verschonen –
denn ihr Vater war bereits tot. Er war vor drei Jahren gestorben,
ermordet von einer verschmähten und gekränkten Geliebten, als Jael noch
die Rigger-Schule besuchte. Welchen Sinn hätte es, ihn jetzt noch zu
verbrennen?
    Jael fluchte in ohnmächtigem Zorn, starrte
auf den Horst, in dem dieser Mann stand, in Eiseskälte und völlig
allein. Er hatte sein Transportunternehmen in einen Sündenpfuhl
verwandelt, in dem kriminelle Akte begangen und Menschen missbraucht
wurden. Er verschliss zwei Ehefrauen und brachte seinem Sohn und seiner
Tochter bei, wie man seine Emotionen abtötet. Weinend drückte Jael ihre
Stirn gegen den schuppigen Hals des Drachen. Und plötzlich fühlte sie
etwas …
    Sie blickte hoch und bemerkte eine Veränderung
in dem Licht, das das Gesicht ihres Vaters ausleuchtete; die Helligkeit
dämpfte sich zu einem dunklen, milden Glühen. Nach einer Weile erkannte
sie, dass sich auch in dem Mann ein Wandel vollzogen hatte. Sie sah ihn
zu einer früheren Zeit, einer besseren Zeit. Hinter ihm erhaschte sie
einen Blick auf das Antlitz ihrer Mutter, nur einen flüchtigen Moment
lang, aber es genügte um zu erkennen, dass sie ihren Ehemann aufrichtig
liebte. Doch diese Liebe war durchsetzt mit Kummer. Waren die beiden
nicht glücklich gewesen? Um den Mund ihres Vaters lag ein gespannter,
unschlüssiger Zug. Was bedrückte ihn?
    Jael atmete tief
durch, und dann wusste sie es. Damals war sie noch ein Kind gewesen,
viel zu jung, um alles zu verstehen. Aber dies war der Wendepunkt, der
Firma ging es schlecht wie nie zuvor, das Transportunternehmen, ein
Familienbetrieb, stand am Rande des Ruins. Es ist nicht meine Schuld,
schien ihr Vater zu denken. Die Registrierungsbehörde hatte ihm übel
mitgespielt, seine eigenen Kollegen wandten sich von ihm ab, und nun
hatte er die Lizenz zur Personenbeförderung verloren. Inkompetente
Rigger, die Fehler machten, kosteten ihn zwei Schiffe, und es blieb ihm
nichts anderes übrig, als sich in Schulden zu stürzen. Und nun musste
er sich entscheiden. Ein vom Bankrott bedrohter Skipper konnte sich
viel leichter über Wasser halten, wenn er irregulär flog. Zum Teufel
mit der Registrierungsbehörde. Die Qualität der Rigger wäre mehr als
zweifelhaft, aber konnte es überhaupt noch schlimmer kommen?
    Ã„rger
und Schmerz verhärteten seine Züge. Jael hatte keine Ahnung, ob sein
Groll gerechtfertigt war; sie wusste nur sehr wenig von dem, was sich
damals zugetragen hatte. Aber wie sich der wirtschaftliche Niedergang
auf ihren Vater auswirkte, wurde ihr klar, als sich sein Antlitz im
Licht der Drachenmagie veränderte. Seine Bitterkeit fraß er in sich
hinein, und nach außen hin kapselte er sich ab. Er umgab seine Seele
mit einem undurchdringlichen Panzer. Hinter ihm nahm das Gesicht seiner
Frau einen verhärmten, ängstlichen Zug an. Dann verschwand es, und Jael
fühlte Erleichterung bei dem Gedanken, dass die Qualen ihrer Mutter
schon vor vielen Jahren ein Ende gefunden hatten. Doch die Misere ihres
Vaters vergrößerte sich, und wie ein gepeinigtes, sich wehrendes Tier
schlug er blindlings nach denen, die ihm am nächsten standen.
    Der
Familienname wurde mit Schande besudelt. Jael erfuhr nie in allen
Einzelheiten, welche Verbrechen ihr Vater begangen hatte, mit denen er
die gesamte Gemeinschaft der Skipper gegen sich aufbrachte. Sie wollte
es gar nicht wissen. Sie wusste nur, dass seine Leiden, wie die ihrer
Mutter, erst mit seinem Tod endeten. Aber sie, Jael, lebte und büßte
für die Sünden ihres Vaters. In Gedanken verfluchte sie ihn. Hätte er
ihr nicht wenigstens ein kleines bisschen helfen können, und wenn er
ihr nur Mut gemachte hätte, ihren Traum vom Riggen zu verwirklichen?
    Hat er wirklich nichts für dich getan, Jael? Nicht das Geringste?, wisperte Highwing.
    Wie bitte? Verdutzt sah Jael, wie sich ein neues Bild formte, und zu ihrem
gelinden Schrecken erkannte sie, dass es die Rigger-Schule darstellte.
Sie schäumte vor Wut. Hör auf damit, verdammt noch mal! Nein, er
tat nie etwas für mich – kein einziges Mal – außer als er starb und ich
endlich Ruhe vor ihm hatte! Sie senkte den Kopf auf Highwings
Nacken und weinte bitterlich. Sie weinte um ihre Mutter … um ihren
Bruder … um sich selbst. Wie konnte man dieses Unrecht wieder
gutmachen? Überhaupt nicht, schien es. Vernichte ihn, Highwing! Vernichte ihn!,

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