Im Hyperraum
erschreckend glichen; und er schämte sich für seine Ohnmacht,
seine Unfähigkeit, ihr zu helfen. So wie sie versucht hatte, ihre
Verzweiflung vor ihm zu verbergen, hatte er danach getrachtet, sich
seine eigene Not nicht anmerken zu lassen.
Ihr Elend
schmerzte ihn so sehr, dass er selbst jetzt noch, vor Jaels und
Highwings Augen, flüchtete. Als er davonrannte, zurück in den Kranz aus
ätherischem Licht, das zwischen den Bäumen schimmerte, hörte Jael, wie
der Drache leise wisperte: Soll ich ihn verbrennen â wie den anderen? Highwing holte tief Luft.
Nein!, schrie sie, erschrocken über ihre Vehemenz. Du darfst ihm nichts antun! Ich wusste ja nicht ⦠ich hatte keine Ahnung!
Plötzlich
bebte sie vor Scham, sie schämte sich für ihre Wut. Sie hätte sehen
müssen, dass Dap weglief, weil er feige war oder sich hilflos fühlte,
und nicht aus Boshaftigkeit oder weil er sie verurteilte. Sie hatte ihn
immer mit einem Fels in der Brandung verglichen, unerschütterlich,
älter als sie und viel klüger. Aber er war nicht der ruhende Pol, für
den sie ihn immer gehalten hatte, er war nur ein Rigger und ihr Cousin.
Nicht besser als sie und auch nicht schlechter.
Highwing
seufzte; das Bild von Dap und der bleiche Lichthof verschwanden in
einer Wolke aus Funken. Die Nüstern des Drachen glühten in einem
stumpfen Rot. Hattest du es so in Erinnerung?, grollte er heiser.
Nein, flüsterte Jael. Nein, so nicht. Sie verstummte, dachte daran, wie verraten sie sich gefühlt hatte, wie
sie geglaubt hatte, auch Dap würde sie für etwas verachten, für das sie
keine Verantwortung trug. Und sie entsann sich, dass sie sich
geschworen hatte, nie wieder jemandem einen Einblick in ihre Seele zu
gewähren.
Aber diese Bilder entstammten deinem Geist, murmelte Highwing. Ein Teil von dir kannte die Wahrheit. Deine Erinnerungen sind manchmal ein wenig verschwommen, scheint es.
Eigentlich nicht, ich ⦠, setzte sie an und hielt inne, weil sie nicht wusste, wie sie Highwing den Sachverhalt erklären sollte.
Nun denn, Jael â schau nach oben. Dort zeigt sich ein neues Bild. Der Drache hob den Kopf und schnaubte einen Funkenschauer in die Luft.
Widerstrebend
blickte sie in die Höhe. Im ersten Moment sah sie nichts auÃer der
dunklen Kontur einer Felsenklippe, welche die Lichtung überragte. Doch
dann, auf der Spitze der Bergzinne, in einer Art überdachtem
Adlerhorst, beleuchtet von einer nicht definierbaren Lichtquelle,
gewahrte sie die schwarze Silhouette eines Mannes.
Wer ist das?, zischte sie. Highwing antwortete nicht sogleich, doch ein Verdacht
keimte bereits in ihr auf. Etwas an der Gestalt kam ihr vertraut vor.
WeiÃt du es nicht?, erwiderte Highwing schlieÃlich. Ohne ihre Entgegnung abzuwarten, stieÃ
er sich vom Boden ab, fing mit den Schwingen den Wind ein und steuerte
die Felsnadel an. Doch anstatt sie direkt anzufliegen, scherte er
seitwärts aus und landete auf einem hoch gelegenen Sims, der ihnen
einen freien Blick auf den Horst gewährte.
Mittlerweile
wusste Jael Bescheid. Der Mann war ihr Vater; mit kalten Augen und
steifen GliedmaÃen, genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Er sah
womöglich ein bisschen älter aus, ein bisschen erschöpfter, ein
bisschen mürrischer. Sein Blick richtete sich in die Ferne, als erwarte
er einen Besucher; doch seine Körperhaltung verriet Abwehr und
Isolation, als fürchte er sich, diesen Schutzraum zu verlassen. In den
Augen lag ein starrer Blick, der Mund war angewidert verzogen; diese
Miene hatte er immer dann aufgesetzt, wenn er lamentierte, warum er mit
zwei geschiedenen Frauen belastet war, mit einem depressiven Sohn und
einer wehleidigen Tochter. Sein Blick flackerte und heftete sich auf
Highwing und Jael. Er fixierte seine Tochter. Und in den Augen lag
derselbe Ausdruck von Geringschätzung, mit dem er sie bestrafte, seit
sie zurückdenken konnte. Sie erinnerte sich an den Groll, der sich über
viele Jahre hinweg in ihr aufgestaut hatte.
Töte ihn, sagte sie leise, während die Erbitterung in ihr hochkochte. Verbrenne ihn!
Sie
wartete auf den Feuerstoà aus Highwings Rachen, auf die Flammenlanze,
die ihren Vater vernichten würde wie Mogurn. Doch der Drache traf keine
Anstalten, ihren Befehl auszuführen. Highwing?
Dann
wusste sie, warum der Drache zögerte. Er hatte die Antwort in ihrer
Seele gesehen. Ihm ging es nicht darum, ihren Vater zu
Weitere Kostenlose Bücher