Im Hyperraum
an ihren Sitz und
spähte mit angehaltenem Atem hinunter auf die chaotischen Felshänge.
Natürlich beschlich sie die Furcht, ihre Transportblase könnte jeden
Moment platzen und sie würden nach unten purzeln wie Samenkörner aus
einer Hülse. Sie schämte sich für ihre Ãngstlichkeit. Denn alles, was
sie hier sah, konnte sie sich auch in einem Rigger-Netz vorstellen, und
immerhin war sie ein geschickter und unerschrockener Rigger, oder etwa
nicht?
Die Blase näherte sich den mit Eis überkrusteten
Felsbrocken und erzeugte die Schwindel erregende Illusion eines
drohenden Aufpralls. Dann sauste die Blase nach links und drosselte
drastisch das Tempo; unversehens schoss sie in die Höhe, als wolle sie
den Gipfel erreichen, um jählings abermals nach vorn zu flitzen und
erschreckend dicht an lotrecht abfallende Klippen aus rotem Stein
heranzufliegen. Zwanzig Sekunden lang verharrte sie in kurzer
Entfernung an den schartigen Zinnen, ehe sie erneut Höhe gewann und ein
Felsband unterhalb der Bergspitze ansteuerte. Scheinbar abrupt kam die
Blase zum Stillstand und setzte auf dem Sims auf. Jael stockte der
Atem. Sie befanden sich buchstäblich inmitten der Wolken, auf einem
Hochsitz, auf dem sich kaum ein Vogel niederlassen würde.
Im
ersten Moment war sie starr vor Schreck. Sie befürchtete, der leiseste
Windhauch könnte sie von ihrem prekären Standort pusten. »Es besteht
wirklich keine Gefahr«, hörte sie eine Stimme wie durch einen Nebel,
und nach einer Weile war sie so weit, dass sie sich auf Ars Worte
konzentrieren konnte, der ihr etwas von âºGravitationsankernâ¹ erzählte.
Sie nickte, um ihm anzudeuten, dass sie ihm glaubte, obwohl sie noch
darum kämpfte, mit ihren Augen und ihrem Verstand die Realität zu
verarbeiten. Endlich schöpfte sie langsam und tief Atem und begann, die
Situation auszukosten.
Die Aussicht war spektakulär:
Bergspitzen übertrafen einander im Wettstreit, in den Himmel
hineinzustürmen; sie sah Schluchten und wildromantische Täler,
durchsetzt mit öden Felsen und Schneeflecken, Hügelkämme und Gruppen
von winterlichen Bäumen. Nirgends gab es Anzeichen für zivilisiertes
Leben. Das bewohnte Tal lag auÃer Sichtweite hinter dem Gipfel. Die
nächste Ortschaft hätte Tausende von Kilometern entfernt sein können.
Anmutig geschwungene Zirruswolken standen hoch über den Bergen. Ein in
den Himmel ragender Felsturm war von weiÃem Nebel umhüllt, der sich
einzig und allein an diesem Gipfel zu sammeln schien. In jeder anderen
Richtung strahlte der Himmel in einem intensiven Blau.
»Hier fühle ich mich wie ein Engel«, sagte Ar leise, während er wispernd ein- und ausatmete.
Jael
betrachtete das grandiose Panorama mit groÃen Augen, doch sie schwieg,
so betroffen war sie von dem prachtvollen Anblick. Plötzlich
vergegenwärtigte sie sich, dass sie hier allein war mit einem Mann,
einem Alien, den sie kaum kannte, und mit ihm gemeinsam diese
unglaublichen Wunder erlebte. Es kam ihr irgendwie ⦠seltsam vor.
Sehnsüchtig dachte sie an Highwing. Dieser Ort würde ihm gefallen, er
würde dessen Magie gebührend mit der Würde eines Drachen bestaunen und
zu schätzen wissen. Sie seufzte leise. Es hatte keinen Sinn, sich einen
Freund herbeizuwünschen, der gar nicht bei ihr sein konnte.
»Jael, möchtest du noch genauer hinsehen?«
Langsam wandte sie ihm ihr Gesicht zu.
Ar
blickte sie an, wobei seine durchscheinenden Augen beinahe verklärt
wirkten; in ihnen glänzte ein Licht, das über einen tiefen Abgrund zu
ihr herüberreichte. Sie erschauerte, und er lächelte, indem er seine
Lippen knitterte. Nach einer Weile merkte sie, dass er auf ihre Antwort
wartete. »Wenn du die Landschaft jetzt schon schön findest«, murmelte
er, »dann ist es möglich, sie in deinem Geist noch lebendiger zu
gestalten. Dadurch erhältst du Visionen, nach denen du Riggen kannst,
Visionen, die du niemals vergessen wirst. Möchtest du es ausprobieren?«
Es
dauerte eine Zeit lang, bis sie die Bedeutung seiner Worte begriff.
»Nun, ich ⦠weià nicht recht â¦Â«, erwiderte sie zögerlich, während sie
merkte, wie sie sich bereits verkrampfte.
Der
Clendornaner richtete den Blick wieder über das Gebirgspanorama. »Es
ist wirklich atemberaubend, nicht wahr?«, flüsterte er. »Man braucht
gar nichts zu verändern, wenn du es nicht
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