Im Hyperraum
hatte â¦
»Die Bilder, die du in deinem Geist erzeugt hast, waren so plastisch â¦Â«
»Ar, es waren keine Bilder. Das ist ja der springende Punkt!«
»Jael,
warte.« Ars Stimme klang gepresst. »Bitte. Wir müssen darauf achten,
dass wir einen Mythos nicht mit der Wirklichkeit durcheinander bringen.
Ich selbst halte sehr viel von Mythen und Phantasie. Beides hilft uns,
mit der Realität umzugehen und sie zu begreifen. Eine mythische
Interpretation der Wirklichkeit kann mitunter präziser sein als eine
bloÃe Beschreibung der konkret wahrgenommenen Umstände.«
»Ar, ich rede von etwas ganz anderem.«
Er
fuhr fort, als hätte er sie nicht gehört. »Allerdings muss man sich des
Unterschiedes stets bewusst sein. Was nützt uns ein Symbol, wenn wir es
mit dem Objekt verwechseln? Wie hilfreich ist die Benutzung einer
Karte, wenn wir sie für das Territorium halten, die sie darstellt? Aber
ist das nicht die wahre Herausforderung für einen Rigger â ein Gebiet
mithilfe der Phantasie zu kartieren und diese Region dann kraft dieser
imaginativen Karte zu erfassen â weil wir das Terrain selbst nicht
begreifen können? Deshalb ist eine Erfahrung, wie du sie erleben
durftest, so überaus faszinierend, denn sie bringt uns an die äuÃerste
Grenze der Rigger-Technik, wo Schein und Sein beinahe miteinander
verschmelzen.«
Ars Worte klangen so ernst, und seine
Interpretation ihrer Erzählung wirkte so plausibel, dass sie sich bei
der Frage ertappte, ob er nicht Recht haben könnte. Was machte sie
eigentlich so sicher, dass sie ein reales Erlebnis gehabt hatte?
Trotzdem war sie fest davon überzeugt, dass es Highwing in Wirklichkeit
gab, dass alles tatsächlich passiert war.
Der
Clendornaner legte eine Pause ein und sah sie an. Als er dann
weitersprach, schwankte seine Stimme. »Muss ich mich vielleicht wieder
entschuldigen? Ich spüre, dass meine Ausführungen dich verwirren. Ich
reagiere nicht so, wie du es erhofft oder erwartet hast.«
»Nein â¦Â«
»Aber du möchtest doch, dass ich ehrlich zu dir bin, oder?«
»Selbstverständlich!«,
versetzte Jael; das Gespräch hatte eine chaotische Wendung genommen. Es
fehlte die Logik. Warum verstand Ar nicht, worauf es ihr ankam?
Ar
streichelte seinen Stirnwulst und dachte kurz nach. »Möchtest du, dass
ich dein Erlebnis während dieses Fluges für bare Münze nehme? Es als
ein konkretes Geschehen akzeptiere?«
»Ja! Alles trug sich genau so zu, wie ich es dir geschildert habe.«
Er
schwieg eine Weile. »Eine derartige Geschichte ist mir noch nie zu
Ohren gekommen, Jael. Als Anekdote vielleicht, wenn jemand nicht ganz
nüchtern war und kein Grund bestand, ihn ernst zu nehmen. Das ist â¦
starker Tobak.«
»Ich weiÃ!«, sie seufzte. »Sämtliche
Aufzeichnungen in der Bibliothek laufen darauf hinaus, dass man es hier
mit Märchen zu tun hat. Aber das ist ein Irrtum! Verflixt noch mal, Ar,
denkst du, ich hätte es riskiert, Mogurns Zorn zu erregen, wenn das
alles ein Phantasiegebilde gewesen wäre? Hätte ich mein Leben in Gefahr
gebracht für etwas, das ich nach Belieben hätte ein- und ausblenden
können?«
Ar lehnte den Oberkörper nach hinten. »Ich glaube ohnehin nicht, dass ein Rigger irgendein Bild willkürlich ein- oder ausblenden kann. Wenn das Bild stark genug ist, wenn es überzeugend wirkt â¦Â«
»Das meine ich nicht, Ar!«
Der Clendornaner überlegte einen Moment. »Na ja, woher will man dann wissen, was echt und was unecht ist?«
»Wenn du mir doch nur glauben könntest â¦Â«
»Objektiv
gesehen, meine ich. Für jemanden, der selbst nicht dabei war, als dies
passierte, gibt es keinen neutralen Test, um die Phantasie von der
Wirklichkeit zu trennen.«
Unglücklich zuckte Jael die
Achseln. »Vermutlich nicht. So einen Test gibt es wohl nicht.« Sie
lehnte sich im Sessel zurück, starrte ins Feuer, in die flackernden,
unechten, holografischen Flammen und dachte: Ich kenne den
Unterschied. Oder nicht? Sie richtete den Blick wieder auf Ar. »Denkst
du, ich sei nicht in der Lage, Realität und Einbildung auseinander zu
halten?«
Ars Lippen kräuselten sich andeutungsweise.
»Doch, Jael, ich glaube, dass du sehr wohl dazu imstande bist. Aber so
bin ich nun mal â ich gehe analytisch vor. Bitte verzeih mir. Es steckt
mir im Blut.« Jael setzte zu
Weitere Kostenlose Bücher