Im Hyperraum
unbeantworteten Fragen
stellen.
Jael, nein. Sie spürte Ars Hand auf ihrer Schulter und drehte sich widerstrebend um. Hör
auf damit. Wenn du überhaupt etwas unternehmen willst, und wenn es nur
darum geht, für uns eine sichere Passage zu finden, musst du dich
ausruhen. In Ars Blick lagen Mitleid und Besorgnis. Sie fragte
sich, ob er in irgendeiner Weise mitbekommen hatte, was Windrush ihr in
seinen Gedanken erzählte.
Er wird aufwachen, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen ist, meinte Ar. Und bis dahin musst du unbedingt schlafen.
Ich kann nicht, behauptete sie. Seine Fürsorglichkeit wusste sie zu schätzen. Doch was
nützte ihr Ars Mitgefühl angesichts des bevorstehenden Todes eines
Freundes und der möglichen Vernichtung eines gesamten Reiches?
Du
brauchst unbedingt Ruhe. Wenn du zusammenbrichst, ist niemandem
gedient. Vielleicht gibt es ja noch Hoffnung, doch wenn du in Aktion
treten willst, musst du bei Kräften sein.
Jael begab
sich an den Platz zurück, an dem sie vorher mit Ar gesessen hatte,
neben der Feuerstelle. Sie lehnte ihren Kopf gegen die Felswand und
versuchte, ihre Gedanken zu klären, ihren inneren Aufruhr zu dämpfen.
Unentwegt dachte sie an Ars Worte. Hoffnung. Wann hatte sie das letzte
Mal einen echten Hoffnungsschimmer gesehen? Während sie mit Highwing
zusammen war, hatte sie so etwas wie Hoffnung erfahren.
Doch
wann waren ihre Zuversicht, ihr Optimismus, abgetötet worden? Vor
vielen Jahren, als sie noch ein Kind war, und ihr Vater sich seinen
Depressionen hingab, nachdem sein Traum von einem prosperierenden
Familienbetrieb zu Asche zerfallen war? Oder später, nach dem Tod ihrer
Mutter, als sie sich gezwungen sah, zu ihrem verbitterten, zynischen
Vater zurückzukehren?
Diese Erinnerungen hinterlieÃen einen galligen Nachgeschmack. Wieso dachte sie ausgerechnet jetzt an ihre Kindheit?
Sie
hatte dringendere Sorgen, als deprimierenden Gedanken über das
Schicksal ihrer Familie nachzuhängen. Plötzlich merkte sie, wie
erschöpft sie war. Wirst du Wache halten?, fragte sie Ar im Flüsterton. Weck mich, wenn irgendwas passiert ⦠wenn Windrush aufwacht, zum Beispiel â¦
Natürlich, versprach Ar. Zieh
dich mindestens zur Hälfte aus dem Netz zurück. Wenn du gänzlich im
Netz bleibst, wirst du nicht einschlafen können. Während du mit dem
Drachen kommuniziert hast, konnte ich mich auf diese Weise ausruhen.
Ich fühle mich erfrischt.
Ohne Zweifel hatte er
Recht. Ed hockte auf einem Steinblock und schlief, offenbar hatte er
Ars Ratschlag befolgt. Sie würde sich auch schlafen legen. Und wenn sie
dann aufwachte, gab es vielleicht neue Hoffnung. Sie betete, dass es so
sein möge. Denn im Augenblick hatte sie jeden Mut verloren.
Kapitel 26
F REUNDIN VON H IGHWING
I HR WAR , ALS SÃHE SIE IM T RAUM ein sonderbares, zartes Wesen, das ihr etwas von Highwing in seinem
Kerker zuflüsterte â Highwing hätte ihr Rufen gehört und sei viele Tode
gestorben, weil er ihr nicht antworten konnte, keine Möglichkeit
wusste, ihr mitzuteilen, dass er immer noch ihr treuer Freund sei und
an sie glaubte. Im Traum meinte sie zu erkennen, dass dieses Geschöpf
in die Höhle des Drachen eindrang wie ein Geist, der aus dem brennenden
Busch auftauchte und später wieder darin verschwand.
Sie
dachte sich, dieses Wesen sei vielleicht ein Urelement des Feuers, doch
dann änderte sie ihre Ansicht. Denn es handelte sich um ein schlankes,
lemurenähnliches Geschöpf, bedeckt mit einem seidigen Fell, und es
schlich über den Höhlenboden mit der Geschmeidigkeit einer Katze.
Zuerst fürchtete sie sich vor dieser eigentümlichen Kreatur, dann
zerstreuten sich ihre Ãngste.
Jael!
Eine
Hand berührte sie, und sie hörte ein rumpelndes Schnarchen. Sie schlug
die Augen auf und sah über ihrem Kopf die gespenstisch leuchtenden
Kontrollen der Rigger-Station. Das Netz hatte sie beinahe vollständig
abgestreift. Doch die Laute, die sie gehört hatte, kamen von der
anderen Seite, aus der Welt des Flux. Benommen lieà sie sich ins Netz
zurücksinken und fand sich wieder im Halbdunkel der Höhle, neben dem
Feuer. Alles erschien ihr irreal, unmöglich; doch sie wusste, dass dies
nicht stimmte. Was sie erlebte, war so real wie ihr Raumschiff, so real
wie ihre Hände, die sich gegen den kalten Stein pressten. Ar schüttelte
sie sanft. Ed schlug mit den Flügeln und gab gurgelnde Geräusche
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