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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Fall: wie kunstvoll der Autor seine Modelle gestaltet. Diese Skala ist in beide Richtungen offen, wobei sich Lem und Amery am oberen Ende aufhalten. Lem bemerkt zu Wells: “Er ist ja diesen ersten Feldherrenhügel hinaufgestiegen, von dem aus man die Gattung in einer Extremlage beobachten kann” (Lem
    1987, S. 16.) Diesen Ausgangspunkt, die Betrachtung der Gattung in Extremlage, will Lem weiterentwickeln; so sind nach eigener Aussage seine ersten Werke eine
    Revolte gegen die Paradigmatiker der Gattung, wie sie sich in den USA entwickelt hat 23 . Lem durchbricht die Grenzen durch eine betonte Loslösung von der Geschichte, während Amery besonders das historische Moment betont, das er nach eigenen Ansichten gestaltet.
    Einer der Ausgangspunkte für diese Arbeit ist die SF-Definition, die Ulrike Gottwald in ihrer Dissertation entwickelt (Gottwald 1990). Es gelingt ihr, das Veränderungsdenken terminologisch klar zu gliedern, doch zieht sie dabei gleichzeitig wieder Grenzen, die gerade durch den Veränderungscharakter der Gattung durchbrochen werden müssen; als Beispiele werden die in dieser Arbeit analysierten Werke herangezogen werden. Ulrike Gottwald unterscheidet für die Gattung der SF in der BRD drei Bipolaritäten (Gottwald 1990, S. 183-188), nach denen sich die wichtigsten Tendenzen sichtbar machen lassen:
    1.    Prägung durch amerikanische versus Prägung durch deutsche Tradition (im Falle Lems müßte die polnische Tradition hinzugefügt werden, die aber nicht sonderlich ausgeprägt ist und in der Wissenschaftlichen Fantastik aufgeht, vgl. 2.3.),
    2.    politisch sozial engagierte versus spielerische SF,
    3.    literarische versus trivial-literarische SF.
    Diese nach binären Oppositionen    getroffenen
    Unterscheidungen sind besonders in den Punkten 2. und 3. problematisch in der Anwendung: Aus welchen Gründen müssen Spiel und Engagement definitorisch getrennt werden 24 ? Die hier von Gottwald verwendete
    Bezeichnung des Engagements gab die Anregung für den Titel dieser Arbeit - allerdings mit einer Erweiterung in der Bedeutung. Der in dieser Arbeit verwendeten Begriff der “Engagierten SF” soll die im Punkt 2. aufgeführten Gegensätze zu einem Ganzen vereinen. Gleichzeitig soll er die Diskussion umgehen, die Gottwald in Punkt 3. angeworfen hat: Die Frage der Trivialität ist letztlich nicht befriedigend zu klären
    29
    “Trivial ist, wenn man so will, dann doch durch den Anspruch zu messen, die Welt, wenn nicht zu verändern, dann doch zusätzlich zu beleuchten, eine Erfahrung zu erweitern.” (Amery-Interview 1995, S. 17) Ein Beispiel aus der Zeitgeschichte ergab sich durch die folgende, häufig angeführte Anekdote:
    Als Orson Welles 1938 den Roman “Kriegder Welten ” als Hörspiel im Radio übertrug, brach Panik in der Bevölkerung aus, denn man glaubte an das Ende der Welt. Diese beeindruckende Wirkung veranschaulicht sicherlich, welche Eigendynamik eine geschickt formulierte Erzählung entwickeln kann, die Rationalität und Emotionalität (in diesem Falle die Furcht vor einer Invasion) plausibel verbindet. In diesem Fall ist die Wirkung sicherlich an das Medium Radio gebunden, doch erschien die Eroberung der Erde durch Marsbewohner keinesfalls als etwas völlig Unglaubwürdiges. Letzlich ergab sich die überraschende Wirkung nur im Hinblick auf eine allgemeine Anspannung am Vorabend eines großen Krieges, der alle Vorstellungen übertraf - nur nicht die der Fiktion.
    2. SF: Entwicklung, Spielregeln, Motive
    Es ist häufig nicht leicht SF von verwandten Gattungen deutlich abzugrenzen. In der wissenschaftlichen Forschung zur phantastischen Literatur unterscheidet man auf der obersten Ebene die Phantastik, die Utopie und die SF. Ihre Wurzeln reichen zurück bis zur Romantik und der Märchenerzählung. Die utopische Erzählung ist noch wesentlich älter, aber es ist nicht möglich, in dieser Arbeit bis an die Wurzeln zurückzugehen. Auf das Verhältnis von Utopie und SF soll im folgenden Kapitel dieser Arbeit näher eingegangen werden.
    Die Phantastik - der Schauerroman beispielsweise -konzentriert sich vornehmlich auf tiefenpsychologisch interpretierbare Handlungskonstruktionen, so beispielsweise die Berührung latenter Ängste in den Werken Poes. Psychologische und psychoanalytische Ansätze, die die Phantastik beispielsweise als Wiederkehr des Verdrängten interpretieren 25 , sollen in dieser Arbeit wenig Beachtung finden, da nicht die Individualproblematiken der Werke im

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