Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
einen Test aus, der die Wirklichkeit von der Illusion trennt 12 .
    In der Figur Tichys schimmert die pessimistische Grundhaltung Lems durch, die dieser am Anfang der siebziger Jahre einnahm, so daß er seinen Helden nicht mehr so leichtfertig mit dem Universum jonglierend darstellen konnte (immerhin wird Tichy auf der zwanzigsten Reise der    ” Sterntagebücher ”    zum
    Schöpfer unseres gegenwärtigen Universums).
    Zu Beginn der Erzählung sind die parodistischen Elemente reich vertreten:    im    Spott    über das
    Diskussionsverhalten der Futurologen, in der starken Überzeichnung der “befreiten Schriftsteller”, die zur gleichen Zeit im Hilton tagen. 13  Das zentrale SF-Motiv ist die Zeitreise durch den Kälteschlaf. Nach seinem Erwachen präsentiert sich Tichy eine zukünftige Gesellschaft, für die es Basisprobleme wie Hunger, Armut, Überbevölkerung und Krieg nicht mehr zu geben scheint. In dieser Phase der Erzählung werden die parodistischen Elemente immer seltener, abgesehen von der linguistischen Theorie Trottelreiners.
    Alternierend wechseln sich Satire und Parodie im “  Kongreß ” ab. Im Unterschied zur Parodie, die durch die Nachahmung einer vorgegebenen Gattung wirkt, ist die Satire nicht an eine Gattung gebunden.
    Zu den unabhängigen satirischen Elementen gehören die Anspielungen auf:
    1.    Auswüchse von Kultur - und
    Dienstleistungsbetrieben; ein Spezialist für Attentate wirbt in einer Anzeige:    ”…    im Zeitalter der
    hochgezüchteten Spezialisierung tue man nichts auf eigene Faust; man vertraue dem Berufsethos und den Kenntnissen gewissenhafter Fachleute.” (Kongreß, S. 14).
    2. Verwaltungshierarchien und -strukturen; Tichy findet, nach einer Totaloperation allein zurückgelassen, ein Formblatt neben sich: “Werter Patient (Vor- und Zuname), … Die herzliche Benachrichtigung, die Du hiermit liest, soll Dir helfen, Dich den neuen Gegebenheiten Deines Lebens bestmöglichst anzupassen. Wir haben es Dir bewahrt. Gleichwohl entfernten wir Dir notgedrungenermaßen Arme, Beine, Rücken, Schädel, Genick, Bauch, Nieren, Leber, Sonstiges (Nichtbenötigtes streichen!)” (Kongreß, S. 51)
    3.    Konkurrenzdenken und Vetternwirtschaft (beispielsweise in der Hemmungslosigkeit der Reporter zu Beginn des Kongresses)
    4.    Versammlungs- und Sitzungsabläufe; in diesem Zusammenhang auf Wissenschaftstheorie und -sprache, aber auch auf die Abkürzungspraxis 14 (wie sie besonders in den sozialistischen Ländern zu dieser Zeit Mode war).
    5.    Charakterzüge veschiedener Personen durch eidetische Namensgebung (zum Beispiel der Futurologe Trottelreiner)
    Somit umfaßt der “ Kongreß ” gleichzeitig eine Satire auf die Gattung, als auch auf aktuelle kulturelle Riten. “In dem Kurzroman ‘Der Futurologische Kongreß’ fehlen … die parodistischen Elemente und die Satire beschränkt sich im wesentlichen auf die einleitende Beschreibung des Kongresses.” (Marzin 1985, S. 18). So ernst, wie Marzin es beschreibt, hat Lem den “  Kongreß ” nicht gestaltet; auch stimmt die Beschränkung auf die Einleitung nicht, wie im folgenden Kapitel belegt werden wird. Tatsächlich nehmen die potentiell komischen Elemente zum Schluß des Romans immer mehr ab; das Spielerische wird reduziert zugunsten der Alptraumatmosphäre, die sich durch die Vielfalt von aneinandergereihten Erlebnisebenen verdichtet.
    Im folgenden Kapitel soll die Untersuchung des Verhältnisses von Kognition und “Wahrheit” auf den sprachlichen Aspekt konzentriert werden. In einem Dialog zwischen Trottelreiner und Tichy offenbart Lem dem Leser exkursartig seine Sprachtheorie, indem er sie durch Trottelreiner parodieren läßt.
    6.2. Die Linguistische Prognostik Trottelreiners
    Durch die sogenannte “kognitive Wende” am Anfang der siebziger Jahren werden die Grenzen einer Forschungsrichtung gesprengt, die sich nur auf das Verhältnis von Reiz und Reaktion konzentriert: die Untersuchung mentaler    Prozesse verdrängt    den
    Behaviorismus. Damit    wird Gegenstand    der
    Forschung, was im Menschen beim Sprechen und Hören vorgeht. Das allgemeine Problem der Wahrnehmung, das in 6.1. veranschaulicht wurde, soll nun für Lem in der Beziehung von Sprache und Wahrnehmung exemplifiziert werden. Lem hat bereits 1965/66 begonnen, sich mit linguistischen Fragestellungen auseinanderzusetzen (nach seinem gescheiterten Versuch,    in “Phantastik    und
    Futurologie” eine

Weitere Kostenlose Bücher