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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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schwebenden Flugkörpern gemacht werden. Dieselben Regionen des Planeten, seine Kontinente, wurden einmal in einer kleinen, dann
    in einer größeren und schließlich in der größten, da gesamtplanetarischen    Skala    dargestellt.
    Selbstverständlich konnte man in Romers Atlas auch die ganze Erdhalbkugel in verschiedenen Sphärenprojektionen sehen, samt der für mich immer sonderbar    erscheinenden    “Merkator’s
    Walzenprojektion”.
    Wir können also denselben Gegenstand - die Erde -in unterschiedlichen Skalen anschauen, und was demjenigen, der am Fuß einer Bergkette steht, himmelhoch wie der Himalaja zu sein scheint, zeigt sich aus der kosmischen Perspektive nur als eine fein geformte, an den Spitzen mit Schnee geweißte “Gesteinsverformung” der Erdkruste.
    Erst jetzt komme ich auf das im Titel des Essays angeführte Thema. Der springende Punkt ist, dass in einem gewissen Sinn Darwin Lamarck besiegt hat, da es eigentlich keine Biologen mehr gibt, die annehmen, dass die erworbenen Merkmale vererbt werden. Im Gegenteil, die Regeln der Selektion (der natürlichen Zuchtwahl) und der Mutation sind überall und dauerhaft in den begrifflichen Apparaten der biologischen Wissenschaften verankert, hier:    im
    Erkenntnisbereich der Arten und Weisen, wie sich das Leben, als es auf der Erde entstanden ist, vier Milliarden Jahre lang fortentwickelte, bis es auch uns geschaffen hatte. Gegenwärtig herrschen jedoch innerhalb des Darwinismus (oder um ihn herum) ziemlich heftige Streitereien, weil der Begriff der natürlichen Evolution (Zuchtwahl, geschlechtliche Fortpflanzung, Gene, “erweiterte Phänotypen” usw.) eigentlich einen Sack darstellt, in den verschiedene Evolutionisten wie Gould oder Dawkins nicht vergleichbare und teilweise sogar widersprüchliche Hypothesen packen. Das nicht besonders originelle Ergebnis meiner Überlegungen ist die These, dass der “totale” Reduktionismus, der alle Antriebsfaktoren der Evolutionsprozesse in einen einzigen “Motor” hineinpacken will, eine grobe Vereinfachung darstellt.
    Unser Wissensstand bezüglich der Evolution, der nicht nur aus der Paläontologie stammt, erlaubt es immer noch nicht, diesen vier Milliarden Jahre währenden Prozess der Veränderungen des Lebens eindeutig zu machen. Ich will hier gar nicht weiter darauf eingehen, da die Entstehung des Lebens immer noch ein Rätsel ist, obwohl es mehr und mehr Hypothesen darüber gibt. Bislang ist es aber noch niemandem gelungen, das Leben in irgendeiner Form aus unbelebter Materie herzustellen. Obwohl man an dieser Stelle viele, einander widersprüchliche Theorien aufzählen könnte, wie den “Punktualismus”, den “Saltationismus” oder den “Katastrophismus”, den ich in dem Buch “Das Katastrophenprinzip” beschrieben habe, ist es nicht meine Absicht, diese Auseinandersetzungen näher zu erläutern. Ich will nur andeuten, worum es in ihnen geht.
    Richard Dawkins (sowie einige Jahre vorher der Autor dieser Worte) stellte die Hypothese des “egoistischen Gens” vor, die besagt, dass die Evolution grundsätzlich auf der Ebene der “genetischen Befehle” verläuft, und dass das Produkt der “Genbefehle” sterbliche Organismen sind, die den “Befehlen” vor allem als Vehikel dienen, um sie an die folgenden Generationen weiterzugeben. Mit ziemlich großer aphoristischer Vereinfachung nannte ich dies einmal “das Irren des Irrtums”, da die in den Botschaften der “Befehle” begangenen “Genirrtümer” die Quellen der Vielfältigkeit darstellen, aus denen die natürliche Zuchtwahl “neue Befehle” schöpfen kann: Auf diese einfache Weise verschwindet das, was die Anweisung nicht weitergeben kann. Zwischen diesen besser konstruierten Strukturen, beginnt ein Wettkampf, der nicht ganz richtig “Kampf ums Überleben” genannt wird, da es kein buchstäblicher Kampf ist.
    Ich habe absichtlich den Begriff “Befehl” eingeführt, weil es mir im Grunde um die Information geht, wie überlebensfähige Strukturen entstehen. Wir wissen das, aber wir wissen nicht, warum sich das Leben über die vier Fünftel der Existenzdauer des irdischen Lebens auf die Nachbildung der Prokaryoten, d.h. der mikroskopischen Organismen vom Typ Bakterium und Alge beschränkt hatte. Wir wissen auch nicht, warum es erst vor einigen hundert Millionen Jahren - im Kambrium - zu einer “Explosion” der Evolution gekommen ist, durch die in den Ozeanen die ersten Mehrzeller entstanden sind, aus denen sich die

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