Im Innern des Wals
jedem Schritt einsinken würde. Falls er mich angriff und ich ihn verfehlte, hatte ich soviel Aussicht, lebend davonzukommen, wie eine Kröte unter einer
Dampfwalze. Dabei war es nicht einmal so sehr die Sorge um meine eigene Haut, die mich beunruhigte, als die
erwartungsvollen gelben Gesichter hinter mir. Sonderbarerweise hatte ich mit der Menge in meinem Rücken weniger Angst, als wenn ich allein gewesen wäre. Ein Weißer darf »Eingeborenen«
gegenüber keine Angst haben, und infolgedessen hat er im
allgemeinen auch keine. Mein einziger Gedanke war, wenn
etwas schiefging, würde ich vor den Augen dieser zweitausend Burmesen von dem Elefanten angegriffen, gepackt, zertreten und in einen grinsenden Leichnam verwandelt, wie jener Inder oben am Hügel. Einige würden, falls es dazu kommen sollte, wahrscheinlich in Lachen ausbrechen. Das durfte nie und
nimmer geschehen. Also blieb nur der andere Weg. Ich schob die Patronen in das Magazin und legte mich der Länge nach auf die Straße, um zielsicher schießen zu können.
Mit einem Schlag wurde die Menge totenstill, nur ein tiefes, erleichtertes, befriedigtes Aufseufzen kam aus unzähligen
Kehlen, wie im Theater, wenn endlich der Vorhang aufgeht. Sie würden also zum Schluß ihren Spaß bekommen. Die Büchse
war eine wundervolle deutsche Waffe mit einem Fadenkreuz im Zielfernrohr. Ich wußte damals noch nicht, daß man sich eine Linie von einem Ohrloch zum ändern denken und darauf halten muß, um einen Elefanten tödlich zu treffen. Da das Tier mir die Flanke zuwandte, hätte ich also genau auf das Ohrloch zielen müssen. Statt dessen zielte ich auf eine Stelle mehrere Inches
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weiter vorn, weil ich annahm, daß sich ungefähr dort das Gehirn befinden müsse.
Als ich abzog, hörte ich, wie immer, wenn ein Schuß sitzt, weder den Knall, noch spürte ich den Rückschlag. Dagegen
hörte ich den diabolischen Jubelschrei der Menge. Fast in der gleichen Sekunde oder doch so kurz danach, daß man sich kaum vorstellen konnte, daß die Kugel bereits ihr Ziel erreicht hatte, ging eine schreckliche, geradezu unheimliche Veränderung mit dem Elefanten vor. Er fiel nicht, er schwankte nicht einmal, aber die ganzen Konturen seines Leibes hatten sich verändert. Er sah plötzlich verfallen aus, in sich zusammengesunken, uralt, als habe der furchtbare Einschlag der Kuge l ihn gelähmt, ohne ihn niederzuwerfen. Nach einer Zeit, die mir unendlich lang
vorkam- in Wirklichkeit mögen es nur ein paar Sekunden
gewesen sein -, sackte er schlapp in die Knie. Aus dem Maul troff schleimiger Speichel. Eine grenzenlose Schwäche schien ihn befallen zu haben. Man hätte glauben können, er sei tausend Jahre alt. Ich feuerte einen weiteren Schuß auf die gleiche Stelle ab. Auch nach dem zweiten Schuß brach er nicht zusammen, im Gegenteil, er erhob sich mit entsetzlicher Langsamkeit und kam wieder auf die Beine. Aber sie zitterten, und er ließ den Kopf sinken. Ich schoß ein drittes Mal. Diesmal war es das Ende. Man sah, wie der Todeskampf den ganzen Körper schüttelte, der
letzte, klägliche Rest von Kraft schwand aus seinen Beinen.
Noch im Fallen schien er sich für einen Moment zu erheben: während die Hinterbeine unter ihm nachgaben, bäumte er sich auf wie ein riesiger stürzender Felsblock, der aufschnellt. Sein Rüssel reckte sich wie ein Baum zum Himmel. Zum ersten- und einzigenmal stieß er ein lautes Trompeten aus. Dann fiel er um, mir den Bauch zukehrend, mit einem Aufprall, der den Boden bis zu der Stelle, an der ich lag, beben ließ.
Ich stand auf. Die Burmesen rannten bereits an mir vorbei
über das Schlammfeld. Es war offensichtlich, daß sich der
Elefant nicht wieder erheben würde, aber er war noch nicht tot.
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Er atmete stöhnend, in langen, regelmäßigen Abständen, die eine Flanke seines Riesenleibes hob und senkte sich mühsam und qualvoll. Das Maul stand weit offen, so daß ich tief in die Höhlung seines blaßrosa Schlundes sehen konnte. Ich wartete lange, in der Hoffnung, er würde sterben, aber das regelmäßige Atmen hielt an. Schließlich feuerte ich meine beiden letzten Patronen auf eine Stelle ab, wo ich das Herz vermutete. Ein dicker Blutstrahl, rot wie purpurner Samt, schoß aus der Wunde, aber er war noch immer nicht tot. Sein Leib zuckte nicht einmal unter den Schüssen zusammen, ohne Unterbrechung dauerte das qualvolle Atmen an. Er lag im Sterben, aber es ging sehr
langsam, der Todeskampf schien sich in einer ändern Welt,
weitab
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