Im Innern des Wals
heimlich, weil es polizeilich verboten ist. Manche, die ich auf dem Square traf, hatten ohne Unterbrechung sechs Wochen dort gehaust, und es schien ihnen nicht viel ausgemacht zu haben, außer daß sie alle phantastisch dreckig waren. Wie immer bei diesen Ärmsten besteht ein großer Prozentsatz aus Iren. Von Zeit zu Zeit fahren sie nach Hause, ohne im geringsten daran zu denken, ihre Fahrt zu bezahlen, fast immer als blinde Passagiere auf kleinen Frachtern, mit stillschweigendem Einverständnis der Besatzung.
Ich hatte die Absicht gehabt, in der St. Martin's Church zu schlafen, aber wie ich von ändern erfuhr, wurde man am
Eingang von einer Frau,›die Madonna‹ genannt, in lästiger
Weise ausgefragt. So beschloß ich, die Nacht auf dem Square zu verbringen. Es war nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte, aber so kalt und derart polizeilich überwacht, daß es unmöglich war, ein Auge zu schließen, und außer ein paar ausgekochten alten Landstreichern versuchte es auch keiner. Es stehen genug Stühle für etwa fünfzig Menschen da, die übrigen müssen sich auf den Boden setzen, was natürlich gesetzlich verboten ist. Alle
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paar Minuten ertönt der Ruf »Achtung Jungs, Polente«, und ein Polizist macht dann die Runde und rüttelt die Schlafenden wach und zwingt die am Boden Liegenden zum Aufstehen. Sobald er verschwunden ist, legt man sich sofort wieder hin. Das
wiederholte sich auch diese Nacht wie eine Art Spiel, von acht Uhr abends bis drei Uhr morgens.
Nach Mitternacht wurde es so kalt, daß ich aufstehen und
lange hin und her gehen mußte, um mich warm zu halten. Die Straßen sehen zu der Zeit ziemlich gespenstisch aus. Alles ist still und verlassen und dabei fast taghell infolge der blendenden Straßenbeleuchtung, die allem ein totenähnliches Aussehen gibt, als ob London der Leichnam einer Stadt sei. Etwa um drei Uhr früh gingen wir, ich und ein anderer, zu der kleinen Grünanlage hinter dem Paradeplatz der ›Guard's‹ hinüber und sahen
Prostituierte und Männer in dem bitterkalten Frühnebel auf dem feuchten Rasen paarweise liegen. Auf dem Square treiben sich immer ein paar Dirnen herum, nämlich die, die kein Glück
gehabt und nicht einmal genug für ein Nachtquartier verdient haben. Eine von ihnen wälzte sich nachts am Boden und weinte bitterlich, weil der Mann weggegangen war, ohne ihr den
vereinbarten Preis von einem Sixpence zu zahlen. Gegen
Morgen bekommen sie nicht einmal ein Sixpence, sondern nur eine Tasse Tee oder eine Zigarette. Um vier Uhr ergatterte jemand ein großes Bündel Zeitungspapier und Plakate, und
sechs oder acht von uns setzten sich auf eine Bank und packten sich in ungeheure Mengen Papier ein, was uns ziemlich warm hielt, bis Stewart's Café in St. Martin's-Lane aufmachte. Bei Stewart's kann man bei einer Tasse Tee von fünf bis neun sitze n bleiben (manchmal teilen sich drei oder vier in eine Tasse), und man darf mit dem Kopf auf dem Tisch bis sieben Uhr schlafen.
Dann weckt einen der Besitzer. Man findet da eine sehr
gemischte Gesellschaft, Landstreicher, Lastträger von Covent Garden, oder Leute, die frühmorgens arbeiten müssen,
Prostituierte, und es kommt unausgesetzt zu Zank und
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Streitereien. Diesmal beschimpfte eine alte, sehr häßliche Frau -
Ehefrau eines Lastträgers - zwei Prostituierte, weil sie sich ein besseres Frühstück leisten konnten als sie. Jedesmal, wenn ihnen etwas Neues serviert wurde, zeigte sie mit dem Finger drauf und schrie:
»Da geht das Geld drauf für noch einen Fick. Wir kriegen keine Kippers (warme Räucherheringe) zum Frühstück, oder
stimmt's nicht, Kinder?! Was glaubt ihr, woher das Geld für die Pfannkuchen stammt? Das war der Neger, der sie für einen
Zehner gehabt hat. « etc. etc. Aber die beiden Dirnen
kümmerten sich nicht weiter um sie.
27. August
Etwa um acht Uhr früh rasierten sich die meisten von uns am Trafalga r Square Brunnen. Ich verbrachte den ganzen Tag mit der Lektüre von Eugenie Grandet (von Balzac)-, dem einzigen Buch, das ich mir mitgenommen hatte. Beim Anblick des
französischen Buches fielen die üblichen Bemerkungen: »Aha, französisch, ziemlich heiße Sache, wie?« Offenbar können sich die meisten Engländer nicht vorstellen, daß es französische Bücher gibt, die nicht pornographisch sind. Viele Vagabunden scheinen nichts anderes zu lesen als Hefte vom Typ Buffalo Bill.
Jeder Landstreicher hat eins bei sich, und wenn sie sich abends in ihrem Quartier treffen, tauschen
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