Im Innern des Wals
sah der friedlich grasende Elefant nicht gefährlicher aus als eine Kuh. Ich war überzeugt - und glaube es auch heute noch -, daß sich seine Brunst gelegt hatte. Dann würde er höchstens noch eine Weile umherwandern, ohne Schaden anzurichten, bis sein Mahoud zurückkam und ihn wieder einfing. Ich hatte nicht die geringste Lust, ihn zu erschießen. Ich beschloß, ihn noch eine Weile zu beobachten, um sicher zu sein, daß er kein weiteres Unheil anrichtete, und dann nach Hause zurückzukehren.
Aber in diesem Augenblick fiel mein Blick auf die Menge, die mir gefolgt war. Sie war unheimlich angewachsen, bis auf
ungefähr zweitausend Menschen, und nahm noch immer mit
jeder Minute zu. So weit man sehen konnte, war die Straße nach beiden Seiten versperrt. Ich blickte auf dieses Meer vo n gelben Gesichtern über grellbunten Kleidern, alle freudig erregt, glücklich über die willkommene kleine Belustigung. Keiner
zweifelte daran, daß ich den Elefanten erschießen würde. Sie sahen mir zu wie einem Zauberkünstler, der im Begriffe ist, einen schwierigen Trick vorzuführen. Sie mochten mich nicht, aber in diesem Augenblick, mit dem magischen Gewehr in der Hand, lohnte es sich, mir zuzusehen. Mit einem Schlage wurde mir klar, daß ich trotz aller Bedenken den Elefanten würde erschießen müssen. Die Menge erwartete es von mir, mir blieb gar keine andere Wahl. Ich fühlte den Willen der Zweitausend, der mich dazu antrieb, förmlich unwiderstehlich. Genau in
dieser Minute, als ich mit der Büchse in der Hand dastand, wurde mir zum erstenmal die ganze Brüchigkeit und Hohlheit der Herrschaft des weißen Mannes im Osten bewußt. Hier stand ich, der weiße Mann mit seinem Gewehr, einer Masse
unbewaffneter Eingeborener gegenüber, scheinbar der Held des Stückes, in Wirklichkeit eine Marionette, deren Bewegungen vom Willen der Gelbgesichter hinter mir bestimmt wurden. In dieser Minute wurde mir klar, daß der weiße Mann, wenn er
zum Tyrannen wird, seine eigene Freiheit zerstört. Er wird zu
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einer hohlen, posierenden Puppe, zur konventionellen Figur des
»Sahib «. Das Gesetz, nach dem er angetreten ist, zwingt ihn, sein Leben lang Eindruck auf die Eingeborenen zu machen, und in jeder kritischen Lage muß er das tun, was die Eingeborenen von ihm erwarten. Er trägt eine Maske, und sein Gesicht paßt sich ihr an. Ich mußte den Elefanten erschießen, ich hatte mich dazu verpflichtet, als ich nach dem Gewehr schickte. Ein Sahib hat die Pflicht, wie ein Sahib zu handeln. Er muß entschlossen erscheinen, er muß wissen, was er will, und dementsprechend vorgehen. Den ganzen langen Weg machen, ein Gewehr in der
Hand und zweitausend Leute an den Fersen, und sich dann
drücken, ohne etwas unternommen zu haben - nein, das war
unmöglich. Die Menge hätte mich einfach ausgelacht - wo mein Leben und das jedes Weißen im Osten nichts anderes war als ein dauernder Kampf, nicht ausgelacht zu werden.
Aber ich wollte den Elefanten nicht erschießen. Ich sah ihm zu, wie er die Grasbüschel an seinem Knie ausklopfte, auf die bedächtige, großmütterliche Art, die Elefanten eigen ist. Ich wußte, daß es reiner Mord war, ihn abzuschießen. In meinem damaligen Alter machte ich mir kein Gewissen daraus, ein Tier zu töten, aber ich hatte noch nie einen Elefanten erlegt und auch nie den Wunsch gehabt. (Irgendwie kommt es einem ja immer
verwerflicher vor, ein großes Tier zu töten.) Nebenbei mußte man auch den Eigentümer des Tieres in Betracht ziehen. Lebend war der Elefant wenigstens hundert Pfund wert, tot höchstens so viel wie die Stoßzähne, das heißt, vielleicht fünf Pfund. Aber ich mußte schnell handeln. Ich wandte mich an ein paar Burmesen, die einen erfahrenen Eindruck machten. Sie waren schon am
Platz gewesen, als wir ankamen. Ich fragte sie, wie sich der Elefant die ganze Zeit über verhalten habe. Sie meinten
übereinstimmend, daß er sich um niemanden kümmern würde,
solange man ihn in Ruhe ließe, aber zum Angriff übergehen
könne, wenn man ihm zu nahe käme.
Mir war völlig klar, was ich hätte tun müssen - auf ihn
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zugehen bis auf, sagen wir, fünfundzwanzig Yards, um zu
sehen, was er machen würde. Griff er mich an, mußte ich
schießen, nahm er keine Notiz von mir, war es das Beste, ihn sich selbst zu überlassen, bis der Mahoud zurückkommen
würde. Gleichzeitig wußte ich, daß ich das nicht tun würde. Ich war ein schlechter Gewehrschütze, und der Boden so
schlammig, daß ich bei
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