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Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orwell George
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von Sherlock Holmes oder perverse und morbide Bücher wie Withering Heights (Sturmhöhe, von Emily Bronte, ersch. 1847) oder The House with the Green Shutters (von George Douglas, ersch. 1901) sein. Dann aber erscheint hin und wieder ein Roman, der einem eine neue Welt erschließt, nicht, indem er einem enthüllt, was neu, sondern was vertraut ist. Das wahrhaft Erstaunliche an Ulysses zum Beispiel ist, daß es ein ganz alltäglicher Stoff ist. Natürlich enthält es mehr als nur das, denn Joyce hat etwas von einem Dichter und ist zugleich ein Pedant von gigantischem Ausmaß, aber seine eigentliche Leistung besteht darin, daß er uns Vertrautes zu Papier bringt. Er hat es gewagt – denn es ist ebensosehr eine Frage der Kühnheit wie der Technik –, die Absurditäten unseres innersten Denkens bloßzulegen, und dabei entdeckte er ein Amerika, das jeder vor der Nase hatte, eine Welt, in der jeder seit seiner Kindheit gelebt hatte, einen Stoff, den man für unbeschreiblich hielt und den zu beschreiben Joyce doch gelungen ist. Die Wirkung war, die Einsamkeit, in der jeder Mensch lebt, wenigstens für Augenblicke aufzuheben. Bei der Lektüre bestimmter Stellen im Ulysses hast du das Gefühl, daß Joyce und du ein und derselbe sind, daß er alles über dich weiß, obwohl er deinen Namen nie gehört hat, daß es irgendwo eine Welt gibt, außerhalb von Zeit und Raum, die Joyce und dich umfaßt.
    Obwohl er Joyce in keiner Weise ähnelt, ist eine Spur davon auch bei Henry Miller. Nicht überall, denn sein Werk ist sehr ungleichmäßig, neigt manchmal, besonders in Schwarzer Frühling , dazu, ins bloße Wortgeklingel oder in das verschwommene Universum der Surrealisten abzugleiten. Man lese nur fünf oder zehn Seiten von ihm, und man fühlt eine seltsame Erleichterung, die nicht so sehr daher rührt, daß man selbst etwas versteht, sondern daß man verstanden wird.
    »Er weiß alles über mich, er hat das speziell für mich geschrieben«, fühlt man. Es ist, als hörte man eine Stimme, die zu einem spricht, eine freundliche, amerikanische Stimme, ohne zu faseln, ohne zu moralisieren, in der Annahme, daß wir alle gleich sind. Einen Augenblick ist man allen Lügen und Versimpelungen, den schablonenhaften Marionetten der gewöhnlichen Roman-Literatur, selbst der einigermaßen guten, entronnen und hat mit vertrauten Erlebnissen menschlicher Wesen zu tun.
    Welche Art Erlebnisse? Und welche Art von Menschen? Miller schreibt über den Mann auf der Straße, und es ist eigentlich schade, daß die Straße voller Bordelle ist. Das ist die Strafe dafür, daß man sein Geburtsland verlassen hat. Es bedeutet soviel, wie in einer dünneren Bodenschicht Wurzel schlagen zu müssen. Das Exil ist wahrscheinlich für einen Schriftsteller verderblicher als für einen Maler oder selbst einen Dichter, denn er verliert in der Folge den Kontakt mit der Welt der Arbeit und muß sich auf die Straße, das Café, die Kirche, das Bordell und sein Arbeitszimmer beschränken. Hauptsächlich handeln Millers Bücher von Leuten, die das Leben von Emigranten führen, sich betrinken, schwatzen, nachdenken und koitieren – nicht von Menschen, die arbeiten, heiraten und Kinder aufziehen; schade, denn Miller hätte das eine genauso gut beschrieben wie das andere. In Schwarzer Frühling gibt es eine wundervolle Rückblende auf New York, dem wimmelnden, von Iren überlaufenen New York der O.-Henry-Ära, aber die Pariser Szenen sind die besten, und die Trunkenbolde und Nachtbummler in den Cafés sind zwar vom sozialen Standpunkt aus völlig wertlos, dafür aber mit einem Feingefühl für Charaktere und einer technischen Meisterschaft geschrieben, die in keinem der kürzlich erschienenen Romane auch nur annähernd erreicht werden. Seine Figuren sind nicht nur glaubhaft, sie sind vertraut, man hat das Gefühl, daß man alle ihre Abenteuer selbst erlebt hat. Nicht daß sie als Abenteuer besonders aufregend wären, Henry bekommt einen Job bei einem melancholischen indischen Studenten. Er bekommt einen andern Job in einer gräßlichen französischen Schule während eines Kälteeinbruchs, bei dem alle Toiletten zugefroren sind, nimmt teil an einer Sauferei in Le Havre mit seinem Freund Collins, einem Kapitän zur See, besucht ein Bordell, wo es wundervolle Negerinnen gibt, diskutiert mit seinem Freund, einem Schriftsteller Van Norden, der den größten Roman aller Zeiten in seinem Kopf mit sich herumträgt, aber sich nie entschließen kann, ihn anzufangen. Sein Freund Karl,

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