Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
rücksichtsvolle junge Amerikaner mit der Brille erzählte, er arbeite mit Computern, wußte jedoch keine zwingenden Gegenargumente vorzubringen, als Lady Guilford ihrer Wut über diese kleinen Höllenmaschinen freien Lauf ließ, die nichts weiter zuwege brächten, als pünktlich Rechnungen zu schicken. Was der Mensch brauche, um sich einen Ruck zu geben, seien harte Arbeit, Eigeninitiative und eine aufrechte Moral. Die Maschinengesellschaft zerstöre viel von den Voraussetzungen dazu, und vermutlich werde unsere Zivilisation eines Tages durch reine Trägheit untergehen, etwa so wie das degenerierende Römische Weltreich. Und wenn ihr Nachbar den vorlauten Standpunkt entschuldigen wolle - seit die Amerikaner sich so etwas wie eine Dollarherrschaft in der freien Welt gesichert hätten, sehe die Zukunft wahrlich nicht besser aus.
    Zu ihrem Erstaunen mußte Lady Guilford entdecken, daß nicht einmal diese provozierende Unterhaltung den jungen Amerikaner aus der Fassung brachte. Lady Guilford liebte es sonst, wenn die Menschen ihrer Umgebung, besonders Ausländer, die Beherrschung verloren. »Das tut eine englische Lady nämlich nicht.«
    Diese letzte, mit überdeutlicher Ironie vorgebrachte Bemerkung kam von ihrer Schwester, die sich jetzt zum erstenmal in die Unterhaltung einmischte.
    »Was diese Maschinen betrifft, haben Sie sicher recht, Lady Guilford«, sagte der junge Amerikaner mit der rauchfarbenen Brille. »Dabei vergessen Sie aber zwei Dinge, wenn ich so unbescheiden sein darf, das zu sagen.«
    »Ach ja, wirklich?« sagte Lady Guilford in einer Tonlage, die mindestens drei Bankreihen vor und hinter ihr zu hören sein mußte. Ihre Entrüstung war mit souveräner Arroganz gespielt. »Und welche Dinge wären das, junger Mann?«
    »Schrecklich, wie oft man mich in letzter Zeit junger Mann nennt… Also, zwei Dinge. Erstens hat sich das Britische Empire nicht viel mehr als hundert Jahre gehalten, was den Römern immerhin einen gewissen Vorsprung gibt. Zweitens sind es wir Menschen, die den Maschinen einen Sinn geben, und nicht umgekehrt. Sie tun genau das, was wir ihnen befehlen. Die Frage ist nur, ob wir selbst klug genug sind, sie nicht zu mißbrauchen. Ein Computer unterscheidet sich nicht sonderlich von einer Kanone. Beide lassen sich zu guten wie bösen Zwecken einsetzen.«
    »Eine außerordentlich kluge Bemerkung, junger Mann!« zwitscherte Lady Guilford begeistert. »Das werde ich mir merken. Ich muß zugeben, daß Sie einige meiner vorgefaßten Meinungen über Amerikaner ins Wanken bringen.«
    Dann erschienen die Stewardessen und servierten Frühstück mit französischem Kaffee und Croissants, mit Toast und Marmelade. Den englischen Damen gelang es nur mit Mühe, sich Tee zu bestellen. Nachdem sie eine Weile lustlos im Frühstück herumgestochert und die Stewardessen dann abgedeckt hatten, wurden in der Maschine an mehreren Stellen die Leinwände heruntergezogen. Die meisten Passagiere mit Fensterplätzen zogen ihre Jalousien herunter, so daß die Kabine verdunkelt war. Bis zum Lunch sollte ein Film gezeigt werden.
    Dieser erwies sich als der zweite oder dritte Teil von »Star Wars«. Doch aus den Kopfhörern ertönten die Dialoge in synchronisiertem Französisch. Das sei, so Lady Guilford, so einzigartig vulgär, daß nur frogs (Franzosen) sich so etwas einfallen lassen könnten. Entrüstet riß sie den Kopfhörer mit dem Filmton herunter, und nach einigem Zögern tat ihr das ihre jüngere Schwester ähnlich demonstrativ nach.
    Der junge Mann an Lady Guilfords Seite hatte sich jedoch zurückgelehnt und entschuldigte sich. Er werde immer im Flugzeug gleich müde, und dann war er offenbar urplötzlich eingeschlafen.
    Gegen Ende des Films, als sich AF 129 in 11 000 Meter Höhe im Luftkorridor zwischen Sizilien und Marseille befand und an Bord alles träge und ruhig war, erhoben sich drei Männer, die in Reihe 15 und 16 nah beieinander gesessen hatten, nur ein paar Meter von den vorderen Leinwänden der Touristenklasse entfernt. Sie gingen links und rechts von der Mittelreihe nach vorn, tauchten unter den Filmleinwänden durch, offenbar auf dem Weg zu den Toiletten neben dem Serviceraum zwischen Erster Klasse und Touristenklasse. Einer der Männer ging in die Toilette, wo er eine Weile blieb, während die beiden anderen draußen warteten. Nach einigen Minuten kam der dritte Mann wieder zum Vorschein, nickte zum Zeichen, daß alles in Ordnung sei, und ging mit einer eng an die Seite gedrückten Pistole auf den

Weitere Kostenlose Bücher