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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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geben?«
    Carl überlegte, ob er einfach weggehen sollte. Doch er konnte nicht ohne weiteres quer durch den Saal stürzen, um sich dem Vizeadmiral und dem Botschafter anzuschließen. Statt dessen suchte er nach einem Kompromiß, der sowohl gesellschaftlich wie aus Geheimhaltungsgründen akzeptabel war.
    »Nein«, entgegnete er, »ich habe nichts davon gewußt, daß die Maschine entführt werden sollte. Meine Pläne liefen darauf hinaus, in Lyon auszusteigen und mit dem Wagen nach Schweden weiterzufahren.«
    »Genau, Sie und dieser Svensson hatten doch bei unserer Botschaft in Kairo französische Visa beantragt, das war also der Grund?« stellte der jüngere der beiden französischen Nachrichtenoffiziere fest.
    »Haben Sie die weite Reise von Paris in dieses düstere Land gemacht, nur um mich zu verhören?« fragte Carl müde, ohne eine Antwort zu erwarten.
    »Ja, und das Gespräch ist sehr aufschlußreich gewesen. Im Augenblick erleichtern Sie unsere mitteleuropäischen Verbindungen, lieber Coq Rouge. Nun, was war das mit Damaskus? Wußten Sie von den Absichten der Entführer, in Frankreich Gefangene freizupressen, ohne es uns zu sagen?« bohrte der Oberst unermüdlich weiter.
    »Nein«, lächelte Carl. Ihm ging plötzlich ein Licht auf, und damit schwand die Sorge, er könnte Geheimnisse verraten. »Nein, ganz und gar nicht, nichts derlei. Bevor ich die Maschine bestieg, wußte ich zwar, daß es ein gewisses Risiko gab, aber ich wußte nicht, was mich tatsächlich erwartete. In Damaskus hätte man mich wie auch Herrn Svensson, zumindest Svensson, gezwungen, unter besonders unangenehmen Formen auszusteigen. Das Ziel der Entführer hatte nichts mit in Frankreich einsitzenden Terroristen zu tun, sondern mit Svensson. Ich nehme an, daß Sie seinen Namen sowohl von Ihrer Botschaft in Kairo wie aus der Passagierliste kennen?«
    »Ja. Also, damit stellt sich die Frage: Wer war oder ist Herr Svensson?«
    fragte der Oberst eher mit einem Anflug von Neugier als mißtrauisch.
    »Was dieses Wissen betrifft, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, mon colonel, Verzeihung, ich hoffe, das ist richtig?«
    »Oberst ist korrekt, ja«, erwiderte dieser erstaunt.
    »Sie werden garantiert erfahren, wer Svensson ist. Und wenn Sie es nicht von uns erfahren, dann von den Amerikanern. Und irgendwelche Unklarheiten über schwedische Konspirationen gegen französische Interessen werden nicht bleiben«, versicherte Carl, der fest davon überzeugt war, die Wahrheit zu sagen.
    »Und darauf können wir uns verlassen?« fragte der Oberst zögernd.
    »Ja«, sagte Carl mit gespielter Ruhe, die seine echte Ruhe überdeckte, »Sie haben mein Ehrenwort als Offizier und Kollege.«
    Das war eine Formulierung, der nicht nur Carls Sentimentalität als Ehrenmann Gewicht verlieh - allein die hätte schon überzeugend genug sein müssen -, weiteres Gewicht verliehen ihr auch die zwei Orden, die an Carls Hals hingen, der Bundesadler in dem roten Kreuz neben dem französischen Stern.
    Die französischen Kollegen verbeugten sich halb unbewußt vor Carls wirkungsvoller Schlußreplik. Dann mischten sich alle drei unter die übrige Gesellschaft.
    Vizeadmiral Carl-Erik Halldén war strahlender Laune und unterhielt die Gesellschaft selbst dann noch, nachdem der Botschafter schon mehrmals zur Uhr geblickt hatte.
    Am Ende erhielt er einen noch gröberen Wink, und dann wurden zwei Taxis bestellt, da die beiden Schweden in verschiedene Richtungen wollten.
    Carl hatte sich verspätet. Er haßte es, zu spät zu kommen, und es kam ihm vor, als führe das Taxi im Schneckentempo durch den Schneematsch in Richtung Gamla stan. Er hatte entschieden, das Treffen in seiner eigenen Wohnung abzuhalten. Er hatte sich aber auch vorgenommen, sich vorher umzuziehen. Das würde er jetzt nicht mehr schaffen.
    Als er ankam, warteten die drei Polizeibeamten schon in der Haustür. Er führte sie eilig die Treppe hinauf, bat sie, abzulegen und sich zu setzen. Dann nahm er seinen gerade jetzt noch lächerlicheren Umhang ab, ging ins Wohnzimmer und setzte sich den drei Männern gegenüber. Er gab sich Mühe, unberührt zu wirken, obwohl er sehr wohl verstand, warum sie ihn anglotzten.
    »Ich bedaure«, sagte er kurz, »ich hatte einige unaufschiebbare Verpflichtungen, denen ich mich nicht entziehen konnte. Befehl des Generalstabs. Es war nicht meine Absicht, Sie in dieser Kleidung zu empfangen. Nun, worum geht es?«
    Er wußte sehr wohl, worum es ging, als er mit gespieltem Interesse fragend

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