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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verständlich war.
    Leonard Söderberg pflegte diese Scherze seiner Familie gutmütig aufzunehmen und hatte sie nie als etwas anderes angesehen als Familienscherze. Doch heute abend hatte er Frau und Tochter durch seine heftige Reaktion erstaunt. Anschließend hatte er sich allein ins Turmzimmer zurückgezogen.
    Er wohnte in einem alten und pietätvoll renovierten verwinkelten Holzhaus mit zahlreichen Schnitzereien. Von dem hohen Turmzimmer aus hatte er eine glänzende Aussicht auf fast ganz Saltsjöbaden. Sein Blickfeld erstreckte sich vom Grand-Hotel über Badholmen zum Erstaviken.
    Bodisko, dachte er. Bodisko ist es gelungen, ganz Gotland mit nur zweitausend Mann zu erobern. Das nenne ich mir einen Überraschungsangriff. Und Söderbergs Phantasie hatte keine Mühe, einen Zusammenhang zwischen Konteradmiral Bodisko und dessen Angriff vom Frühjahr 1808 und der nach ihm benannten Station herzustellen, die da draußen praktisch in Sichtweite lag.
    Leonard Söderberg versuchte, die Summe seines Lebens zu ziehen. Er war siebenundfünfzig Jahre alt und hatte als Marinechef die Endstation seiner Karriere erreicht. Weiter würde er nicht mehr kommen.
    Für das Personal draußen in Station Bodisko war er eins von etwa dreißig Personenzielen. Die meisten potentiellen Mordopfer waren ihm persönlich bekannt. Vermutlich würden die beiden Frauen dort im Untergeschoß ganz nebenbei als Verluste mitgezählt werden. Einige weitere Objekte wohnten ganz in der Nähe. Im Hinblick auf diese sehr spezielle Taktik war Saltsjöbaden ein glänzendes Ziel.
    Station Bodisko war ausschließlich mit Berufssoldaten bemannt. Zwei Stabskompanien wechselten sich darin ab, die Station in Betrieb zu halten und ständig in Bereitschaft zu liegen. Allein Station Bodisko wies eine größere personelle Bereitschaft auf als die gesamte »Feuerwehr« der schwedischen Luftstreitkräfte.
    Leonard Söderberg war stets ein überzeugter Demokrat gewesen. In einer Reihe von Fragen hatte er vielleicht eine andere Auffassung als die Partei, die in Schweden normalerweise die Regierung stellte. Vielleicht hatte er das auch wohlweislich verschwiegen, um die Admiralssterne tragen zu können, die er jetzt unwiderruflich trug.
    Unwiderruflich?
    Hatte er sich opportunistisch verhalten? Wie oft hatte er sich selbst gesagt, man müsse eine Zeitlang mit den Wölfen heulen, um von ihnen ernannt zu werden, um seinen Einfluß dann in wirklich positiver Richtung geltend zu machen?
    Die Regierung des Landes neigte offenbar dazu, den Russen diskret dem Tod durch Erschießen auszuliefern, wenn die Russen im Gegenzug versprachen, ebenso diskret ihre Basen zu räumen. In der Regierung schienen sie nicht einmal zu begreifen, daß sie selbst die Personenziele der Station Apraksin waren. Es hatte den Anschein, als begriffen sie nicht den Ernst der Lage, als wollten sie ihn nicht begreifen.
    Doch Leonard Söderberg war überzeugter Demokrat. Dazu gehörte die Einsicht, daß andere Parteien als die, die man selbst unterstützte, eine Regierung bildeten. Und die Streitkräfte waren selbstverständlich und unwiderruflich der Regierung des Landes unterstellt.
    Unwiderruflich?
    Ja. Alles andere wäre ein Staatsstreich. Diese Alternative war vollkommen schwachsinnig.
    Die Russen würden so sanften Methoden jedoch nie nachgeben. Sie hatten mehr als ein Jahrzehnt daran gearbeitet, für ihre, wie jedermann glaubte, eingesperrte und in Kriegszeiten wirkungslose Ostseeflotte eine Funktion aufzubauen. Sie hatten etwas zustande gebracht, was mit ihren phänomenalsten technologischen Projekten in einem Atemzug zu nennen war. Denn auf einem Gebiet hinkten sie ja wahrlich nicht hinterher, nämlich dem der Militärtechnologie. Wenn sie wollten, konnten sie zum Mond fliegen und Schweden innerhalb weniger Stunden ausschalten, ohne daß das überhaupt als Krieg betrachtet werden mußte. Und das, obwohl sie nicht einmal so viel Getreide erzeugen konnten wie zur Zarenzeit.
    Zu einem gegebenen Zeitpunkt, etwa Heiligabend (denn dort unten, vierzig Meter unter der Meeresoberfläche, dürften christliche Feiertage ebensowenig bedeuten wie etwa das Mittsommerfest), konnten sie von Station Tschitschagow aus den größten Teil der schwedischen Marine zerschlagen. Wie Tschitschagow es im Jahre 1790 fast auf eigene Faust geschafft hatte. Moderne Gewerkschaftsbestimmungen und Sparmaßnahmen hatten zur Folge, daß die Reste der schwedischen Marine in einem einzigen Zielgebiet um Berga und die Muskö-Basis

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