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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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ernsthaften Krise mit Ingrid, und ...«
»Ingrid?«, unterbrach ihn Dünnbrot desorientiert.
»Meine Frau. Sie ist ...«
Er brach mitten im Satz ab. Der Motor hatte zu stottern begonnen, der Wagen wurde langsamer. Tubber ahnte Schlimmes.

Dünnbrot ließ die Heckklappe des Autos mit einem blechernen Knall zufallen.
»Ich hab's gefunden«, sagte er. »Die Kraftstoffpumpe ist hinüber. Bei dem verschmutzten Benzin eigentlich kein Wunder.« Er griff nach einem groben Lappen, um sich die ölverschmierten Hände abzuwischen.
»Ja, und? Kann man das reparieren?«, fragte Tubber nervös nach.
Dünnbrot schüttelte den Kopf. »Nicht ohne Ersatzteil«, lautete sein knappes Urteil, mit dem er die schlimmsten Befürchtungen des Engländers bestätigte.
Das traf Tubber wie ein Tritt in den Unterleib. Seine Knie gaben nach, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Mit dem Rücken an den Wagen gelehnt, sackte er langsam tiefer, bis das schmale Trittbrett ihn auffing. Für einen Moment genoss er die beruhigende schwarze Endlosigkeit, die sich in seinem Geist ausbreitete und die alles, was ihn quälte, in weite Ferne abdrängte. Doch dann kamen Schmerzen, Zorn und Verzweiflung mit einem Schlag wieder zurück und brachen wie eine gewaltige Flutwelle über ihn herein. Der Schock ließ ihn zusammenfahren und aufbrüllen:
»Es ist aus! Aus! Ich verliere alles!«
Das war zu viel für ihn. Er wollte aufschreien, mit den Fäusten auf das Blech des Wagens einprügeln, um sich treten. Doch es ging nicht. Es war, als würde ihm etwas alle Kraft aus dem Körper saugen und nichts als eine lähmende Leere zurücklassen.
»Es ist aus«, keuchte Tubber kaum verständlich. »Aus. Ich verliere alles.«
Dünnbrot hatte ratlos danebengestanden und sich nicht zu rühren gewagt. Jetzt erst löste er sich aus seiner Starre, packte Tubber an den Schultern und schüttelte ihn kräftig. »Verflucht, was ist los mit Ihnen? Sagen Sie was, um Gottes willen!«
Tubber blinzelte und schaute Dünnbrot aus glasigen Augen an. »Was los ist?«, flüsterte er monoton. »Alles zerbricht, das ist los. Ich verliere alles.«
»Was soll das heißen? Sie verlieren alles, nur weil wir hier für eine Weile festsitzen?«, fragte Dünnbrot verständnislos.
Tubber nickte. Und als wäre dies ein Moment gewesen, den er sich insgeheim herbeigesehnt hatte, ließ er alles aus sich hervorbrechen. Er offenbarte dem Deutschen, dass dieser Auftrag seine letzte, seine allerletzte Chance war, seine Karriere und, unendlich wichtiger noch und trotzdem nicht davon zu trennen, seine Ehe zu retten. Zwischendurch geriet er kurz ins Stocken, als er sich fragte, wieso er sein Leben ausgerechnet vor diesem merkwürdigen, unsympathischen Dünnbrot ausbreitete.
Doch dann redete er einfach weiter; es war ihm gleichgültig, solange er nur jemanden hatte, der ihm zuhörte. Ihm war, als hätten sich in ihm Schleusentore geöffnet. Und vielleicht, so hoffte er, verschaffte es seiner Seele ein wenig Entlastung.
Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, wie Tubber feststellen musste, als er seine atemlose Schilderung beendet hatte. Er fühlte sich nicht besser.
Dünnbrot schob sich die Uniformmütze in den Nacken; seine tief gerunzelte Stirn wurde sichtbar. »Das ist es also«, meinte er. »Darum haben Sie sich wie ein Besessener in diese Sache vergraben und wünschen sich inständig, dass eine große Verschwörung dahintersteckt, die Sie aufdecken können.«
»Ist das nicht verständlich, in meiner Lage?«
»Ich war nie in Ihrer Lage, also kann ich's nicht beurteilen«, beschied ihm der Polizist, holte einen verbeulten stählernen Flachmann aus der Innentasche seines Mantels und reichte ihn Tubber. »Da. Nehmen Sie einen Schluck. Aber keinen zu großen, das Zeug ist schwer zu bekommen. Und dann kümmern wir uns darum, dass wir hier nicht erfrieren.«

Das Holz war feucht und brannte erst, nachdem Tubber mit einigen Spritzern Benzin nachgeholfen hatte. Auf einer groben Decke ließen sich der Engländer und der Deutsche nieder und hielten ihre Hände dem wärmenden Feuer entgegen. Tubber fühlte den Drang, seinem Gegenüber noch ausführlicher verständlich zu machen, in welcher Situation er sich befand, und unternahm mehrere Anläufe dazu. Doch jedes Mal brach er schon nach wenigen Sätzen ab, da er zu seinem Unbehagen merkte, dass sich stets die Neigung zum selbstverschuldeten Versagen durch stures Festklammern an vorschnellen Folgerungen, die ihm sowohl Sir Hugh als auch seine Frau attestiert hatten,

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