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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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nicht mehr über Himmlers Vorhaben entlocken konnte, wechselte Tubber das Thema. Mit Blick auf eine Gruppe SS-Männer, die gerade an ihnen vorübermarschierte und die von den Pelzmützen bis zu den gummibesohlten Stiefeln komplett in Winteruniformen der US Army gekleidet waren, sagte er: »Sie verwenden viel amerikanisches Material.
Fahrzeuge, Waffen, Bekleidung ... sind korrupte Depotoffiziere ihre Quelle dafür?« Natürlich kannte Tubber die Antwort auf diese Frage bereits. Captain Jakes'
Ende stand ihm noch deutlich vor Augen. Doch er hoffte, auf diese Weise weitergehende Auskünfte aus Sperber und Köhler herauszukitzeln. Wenn er in den Jahren als Geheimagent etwas begriffen hatte, dann, dass jedes Bröckchen Information, wie unscheinbar es auch zunächst wirken mochte, irgendwann über Leben und Tod entscheiden konnte.
»So ist es. Diesem strafversetzten Amiabschaum fehlt zu unserem Glück jedes Pflichtgefühl«, sagte Sperber dünkelhaft.
»Aber dazu brauchen Sie Geld, sehr viel Geld. Woher stammt das?«
Der Sturmbannführer wollte antworten, besann sich dann aber und ließ dem Professor den Vorrang. Dieser nahm die Gelegenheit zu erneuter überheblicher Selbstdarstellung dankbar an: »Man könnte sagen, die Amerikaner selber finanzieren uns ... ohne es zu wissen, versteht sich. Über ausländische Mittelsmänner – die natürlich auch nichts von unserer wahren Identität ahnen – verkaufen wir Kunstwerke, die als verschollen oder vernichtet gelten und darum nahezu jeden Preis erzielen, an Sammler in den Vereinigten Staaten. Das war selbstverständlich gleichfalls eine meiner Ideen.«
Die Erwähnung von Kunstwerken ließ Tubber aufmerken. Wieder Pallasch! , fuhr es ihm durch den Kopf. Pallasch hatte einen Dürer bei sich, und Svensson sagte, das Bild hätte als zerstört gegolten. Das passt! Irgendwie jedenfalls. Und die illegale Kunstschieberei in großem Stil, der sowohl der Joint Intelligence Service als auch die Central Intelligence Group auf der Spur sind ... es bündelt sich, das hier ist der Fluchtpunkt, an dem alle Linien zusammenlaufen. Aber da fehlt doch noch etwas, der Schlussstein des Gewölbes. Da ist noch eine Lücke, ich fühle es ... »Wie sind Sie denn zu Ihren Mittelsmännern im Ausland gekommen?«, wollte Dünnbrot wissen.
»Dazu waren uns Görings Verbindungen von Nutzen«, erwiderte Köhler, der den Namen des seit Kriegsende spurlos verschwundenen Reichsmarschalls mit einer gewissen Abschätzigkeit aussprach. »Allerdings hatte er keine Ahnung, was wir hier tun, und es interessierte ihn auch nicht. Er saß inkognito in seiner Villa auf Mallorca, wo General Franco aus alter Dankbarkeit seine schützende Hand über ihn hielt, und war zufrieden, wenn er 25 Prozent der Einnahmen und die schönsten Stücke für seine Sammlung erhielt. Seitdem Göring tot ist, laufen die Geschäfte auch ohne ihn perfekt weiter.«
»Franco scheint Ihnen aber immer noch tatkräftig unter die Arme zu greifen«, stellte Tubber fest. »Jedenfalls lassen die ganzen spanischen Rotkreuz-Fahrzeuge und das sonstige Drumherum darauf schließen.« Mit einem Kräuseln der Augenbrauen, das ebenso gut Bewunderung wie leichten Hohn ausdrücken konnte, meinte Sperber: »Äußerst scharfsinnig und zutreffend gedacht. Sagen wir so: Der Caudillo erweist uns gelegentlich kleine Gefälligkeiten, und im Gegenzug lässt der Reichsführer gewisse Dokumente nicht in die Hände der Amerikaner gelangen. Natürlich ahnt auch der alte Mann in Madrid nicht, was hier geschieht.«
Die vier Männer näherten sich einem etwas separiert stehenden, massiv wirkenden einstöckigen Steinbau mit Spitzdach, dessen Stahltür von einem Doppelposten bewacht wurde.
»Das ehemalige Schatzhaus der Festung«, erwähnte Sperber wie ein Fremdenführer vor einer Sehenswürdigkeit. »Es wurde so konstruiert, dass es selbst direktem Granatbeschuss standhalten konnte. Hierher sollte im Kriegsfall der sächsische Staatsschatz gebracht werden.«
Mit einem Mal, als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen, der keinen Aufschub duldet, platzte Dünnbrot heraus: »Was Sie uns da auftischen, kann nicht stimmen.
Um das alles zu finanzieren, müssen Sie über die Jahre doch Tausende und Abertausende von Kunstwerken verkauft haben. Wo wollen Sie die während des Krieges versteckt haben? Dazu wären riesige Lagerhallen nötig.«
Der Professor lachte mit theatralischer Herablassung und antwortete in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sein großer Auftritt

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