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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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näherrückte: »Wir hatten nichts versteckt. Sicher, anfangs handelten wir mit den Beständen der Dresdener Museen, die hier in der Festung eingelagert waren ... doch nur so lange, bis wir in der Lage waren, Nachschub zu besorgen.«
»Nachschub? Was für Nachschub?«, stutzte Tubber.
»Aus der Vergangenheit. Wir holten Gemälde, die beispielsweise kurz vor ihrer Vernichtung in einem Bombenangriff standen, unmittelbar vor ihrer Zerstörung in die Gegenwart.«
Tubber fand keine Erwiderung auf diese groteske Behauptung. Er wartete nur darauf, dass der Professor über seinen eigenen bizarren Scherz lachte. Als nach einigen Sekunden immer noch kein Lachen zu hören war, mit dem sich Köhler über die Leichtgläubigkeit seiner unfreiwilligen Zuhörer lustig machte, sagte Tubber ärgerlich:
»Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie hätten H. G. Wells' Zeitmaschine dazu benutzt.«
»Keineswegs«, widersprach Sperber, der die literarische Anspielung im Unterschied zu Köhler offenbar sofort verstanden hatte. »Mit derartigen amateurhaften Bastelarbeiten gibt der Herr Professor sich nicht ab.«
Die Wachen zu beiden Seiten der Eingangstür nahmen Haltung an. Köhler öffnete die Stahltür; aus dem Inneren drang lauter, gleichmäßiger Motorenlärm. Der Professor ging als Erster hinein, und die anderen drei folgten ihm nach.

Die Halle hinter der Tür war angefüllt mit acht mächtigen Dieselaggregaten, die mit ihrem Dröhnen jedes andere Geräusch übertönten. Sperber schaute auf die Armbanduhr und bedeutete Tubber und Dünnbrot mit einer Geste, sich zu gedulden.
Nur Sekunden später verstummten alle Aggregate gleichzeitig.
»Die Generatoren schalten sich in regelmäßigen Intervallen automatisch ein, um die Akkumulatoren aufzuladen«, erläuterte Köhler und stieg eine Betontreppe zum Kellergeschoss hinunter.
»Nur zu«, forderte Sperber die zögernden Gefangenen auf. »Keine Sorge, dort unten erwartet Sie keine Folterkammer oder etwas in der Art.«
» Die Botschaft hör' ich wohl «, murmelte Dünnbrot zweifelnd, ging dann aber, ohne das Zitat zu beenden, als Erster die Stufen hinunter. Tubber folgte ihm, und bei allem Widerwillen war er neugierig, welche Taschenspielereien Köhler dort unten auffahren würde, um seine dreiste Lüge glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Die Treppe führte in einen Raum, der bis in den letzten Winkel in das kalte Licht von Neonröhren getaucht war. In der Mitte befand sich ein niedriges Holzpodest, dessen Oberfläche aus einer glänzenden quadratischen Metallplatte von etwa einem Meter Seitenlänge bestand. Sie wurde flankiert von zwei mannshohen, armdicken Säulen, die mit eng gewickeltem Kupferdraht ummantelt zu sein schienen und übergroßen elektrischen Spulen ähnelten. Rechts davon befanden sich mehrere große Spinde, deren Oberkanten an die Decke stießen. An der gegenüberliegenden Seite des Raumes türmten sich in mattgraue Stahlgehäuse eingebaute Geräte mit einer verwirrenden Fülle von Skalen, Schaltern und in allen Farben glimmenden Kontrollleuchten, durch Kabelstränge mit dem Podest und den Spulen verbunden.
Vor dieser Wand von Instrumenten stand ein schmächtiger, fahlgesichtiger Mann in weißem Laborkittel, kontrollierte geduldig eine lange Reihe von Anzeigen und machte sich Notizen auf einem Klemmbrett. Als die vier Männer die Treppe hinunterkamen, blickte er auf, steckte schnell seinen auffallenden goldenen Kugelschreiber in die Brusttasche seines Kittels und hob den Arm zum Gruß.
Ratlos betrachtete Tubber die seltsamen Vorrichtungen. Weder hatte er je zuvor einen Apparat wie diesen gesehen noch hatte er die geringste Vorstellung, wozu er dienen mochte.
Der Professor führte seine Gefangenen um die seltsame Apparatur herum. »Ja, schauen Sie es sich nur genau an. Was Sie hier sehen, ist die absolute Krönung menschlicher Schaffenskraft. Ein Wunder des Geistes«, behauptete er und lächelte unbescheiden.
Obwohl es ihm schwerfiel, versuchte Tubber sich auf die Worte des Professors zu konzentrieren. Seitdem er das Schatzhaus betreten hatte, fühlte er sich gar nicht gut; es war ein diffuses Unwohlsein, das er nicht zuordnen konnte. Weder probte sein Magen den Aufstand, wie es in Situationen großer Anspannung sonst oft der Fall war, noch suchten ihn die schon zur Gewohnheit gewordenen Kopfschmerzen heftiger als gewöhnlich heim. Und dennoch war da etwas, verursachte ihm unterschwelliges körperliches Unbehagen. Es lauerte, wartete darauf, mit Macht hervorzubrechen. Tubber konnte

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