Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
der Sandalenspitze kratzen müsse.
    »Eine nicht vorhandene Wade kann eigentlich nicht wirklich jucken, aber dennoch spüre ich es irgendwie, und deshalb muss ich auch ein ganzes Jahrhundert später noch daran kratzen.«
    Nachdem er den Juckreiz bekämpft hatte, begann er von seinem Wirken auf Erden zu berichten. Er sprach langsam, so als falle es ihm schwer, sich an alle Einzel­ heiten zu erinnern.
    »Als junger Mann war ich ziemlich liberal. Aber mit zunehmendem Alter wurde ich immer konservativer, am Ende war ich nur noch griesgrämig. Als ich kaum zwei Jahre Papst war, brach in Italien der Freiheitskrieg aus, und natürlich erwartete man meine Teilnahme. Ich aber verweigerte mich der neuen Entwicklung, und das war, offen gesagt, ziemlich kühn, denn daraufhin vertrieb man mich aus dem Vatikan, und ich musste nach Gaeta fliehen. Dort hatte ich eine schwere Zeit, aber ich sagte mir, dass ich eines Tages zurückkehren würde, was dann auch der Fall war. Es dauerte nur zwei Jahre, und schon konnte ich mithilfe französischer Truppen wieder in den Vatikan einziehen. Sofort stellte ich die Ordnung wieder her und führte ein strenges Regiment. Ich be­ gann den Ultramontanismus zu unterstützen, und besonders begünstigte ich die Jesuiten. Der ganze Kir­ chenstaat befand sich in desolatem Zustand, ich musste ungeheuer viel Energie darauf verwenden, ihn wenigs­ tens halbwegs zusammenzuhalten. Das war nicht ein­ fach!«
    Die alten Erinnerungen amüsierten und belebten den Papst, und er fuhr mit neuem Eifer fort:
    »Du weißt vielleicht gar nicht, mein Sohn, dass gerade ich es war, der das heilige Dogma der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria verkündete. Du glaubst gar nicht, wie heftig sich die Menschheit gegen diesen Gedanken auflehnte, aber am Ende setzte er sich eben durch.«
    Jetzt war der Papst richtig in Fahrt. Er sprach schnell, mit flammenden Blicken:
    »Dann, im Jahre 1869, ich weiß das Datum noch ganz genau, berief ich das Konzil ein. Früher hatten immer die Kaiser das Konzil, also die Bischofsversammlung, einberufen, ich aber tat es einfach selbst, und seitdem haben nur noch die Päpste und niemand sonst dieses Recht. Nun gut, grundlos hatte ich die Versammlung nicht einberufen. Sie verabschiedete nämlich im Jahr darauf das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit! Das mochten die Politiker nicht schlucken, und so wurde dem Vatikan noch im selben Jahr jeglicher weltliche Besitz entrissen und der ganze Kirchenstaat Italien eingegliedert. Als das geschehen war, dachten die weltli­ chen Führer, ich sei geschlagen, aber so leicht zerbricht man keinen Papst. Ich erklärte mich bis zu meinem Tod als Gefangener des Vatikans!«
    Ich erwähnte, dass ich während meines Studiums von diesen Dingen gelesen und dass die Taten des Papstes durchaus meine Bewunderung erregt hatten. Er kicherte über meine Zwischenbemerkung und fuhr fort:
    »Jedenfalls kam es trotz allem dazu, dass meine Macht wuchs und wuchs. Ich wurde zu einem wirkli­ chen Führer der katholischen Kirche, und als ich starb, war ich ein größerer Herrscher als irgendjemand sonst auf italienischem Gebiet!«
    Als er mit seinem Bericht fertig war, wirkte der Papst müde. Er war aufgewühlt, und ich wartete eine Weile, bis er ruhiger war. Schließlich erkühnte ich mich den­ noch zu fragen, wie er heute zu seiner damaligen Un­ fehlbarkeit stehe. Als Papst hatte er sicher auch Urteile gefällt, deren Richtigkeit er jetzt, nach seinem Tod, bezweifelte.
    Der Papst brach in schallendes Gelächter aus. Er schlug sich mit den Händen auf die Knie, dass der Mantelsaum nur so wehte, und wenn er kein Geist gewesen wäre, wäre er bestimmt vom Kirchendach gefallen.
    »Oh, mein lieber Sohn«, sagte er lachend. »Wenn über so wichtige Dinge auf Erden entschieden wird, dann geht es nicht um Unfehlbarkeit, sondern um Machtpoli­ tik. Es ist völlig egal, ob der Papst sich irrt oder nicht. Von Bedeutung ist nur, ob die anderen glauben, dass der Papst unfehlbar ist. Mir hat man es geglaubt, und das reichte, es reichte mir, Italien, der ganzen katholi­ schen Christenheit und noch weiten Kreisen darüber hinaus.«
    Als er sich beruhigt hatte, sagte er zum Abschluss unseres Gesprächs:
    »Außerdem habe ich tatsächlich nicht so viele Fehler gemacht!«
    Er stand auf, schüttelte seinen Mantel, als ob Schmutz darauf wäre, und sagte dann, dass er ein wenig abgespannt sei und zum Abend eine ruhigere Gegend aufsuchen wolle, vielleicht Südamerika. Als wir uns

Weitere Kostenlose Bücher