Im Keller
Glas. Auch dieses nette Stilleben sprach gegen Selbstmord.
„Also ich würde den Fernseher aus machen, bevor ich mich umbringen“, murmelte Arthur vor sich hin und trat an eine Wand, an der ein Foto von einer jüngeren Frau mit welligem, braunem Haar und warmem Lächeln hing. An der Ecke des Rahmens ein Trauerflor. Darunter drei weitere Fotos von zwei Jungen und einem Mädchen. Frau und Kinder von Hovenbitzer?
Zurück im Flur rief Arthur: „Wo ist das offene Fenster?“
„Hier im Bad“, rief der Kollege zurück, und Arthur sah es sich an.
Das Fenster stand weit offen, Toilettendeckel und -brille waren hochgeklappt, beige Fliesen an den Wänden, ein Haufen schmutziger Wäsche in einer Ecke. Arthur stützte sich auf der Fenste rbank ab und schaute nach draußen und nach unten: direkt unter ihm die Betonplatten mit dem Blutfleck.
„Wieso fällt jemand, statt zu pinkeln, aus dem Fenster?“ , überlegte er laut.
„Vielleicht hat er draußen was Verdächtiges gehört und nachgeguckt“ , spekulierte der Kollege.
„Macht Sinn. Der Nachbarshund hat sich ja wohl zur gleichen Zeit die Lunge aus dem Hals g ebellt.“
„Na also. Die Frage ist, ob jemand Hovenbitzer mit Absicht ans Fenster gelockt hat, und ob der dann zufällig rausfiel, oder ob ihn jemand rausgezerrt hat ... oder so ähnlich.“
Arthur richtete sich wieder auf. „Ja, das ist die Frage. Warst du schon oben?“
„Ja, aber nur kurz. Ziemlich unordentlich.“
„Wie viele Zimmer?“
„Drei. Ein Schlafzimmer mit Doppelbett, das musst du dir ansehen.“
„Warum?“
„Geh nach oben und guck.“
Arthur stieg die alte, rotbraun gestrichene Holztreppe hinauf, in deren Stufenecken sich der Staub sammelte. Für einen so schweren Mann wie Hovenbitzer dürfte es nicht einfach gewesen sein, ein ganzes Haus sauber zu halten. Gab es eine Haushälterin oder eine Putzfrau?
Im Schlafzimmer roch es nach verbrauchter Luft. Der Anblick des Doppelbetts war allerdings befremdlich und irg endwie mitleiderweckend. Die eine Hälfte sah sehr benutzt aus, während die andere Hälfte piekfein zurechtgemacht war, alles ordentlich zugedeckt, auf dem Kopfkissen eine in rote Folie gewickelte Praline in Herzform - als warte der Hausherr darauf, dass seine Frau schon in den nächsten Tagen zu ihm zurückkehrte.
Arthur riss sich von dem Anblick los, streifte sich Handschuhe über und begann, sich über den Inhalt der Nachttische zu informieren. Eine delikate Angelegenheit, da kamen manchmal Dinge zu Tage!
Auf Hovenbitzers Seite fand er das Übliche, sowie ein paar ,Herrenmagazine‘ der deftigen Art, das Nachttischchen auf der Seite seiner Angebeteten beherbergte noch ein paar Pralinen, ein Päckchen Tempotücher und eine Schachtel mit Tabletten, deren Name Arthur nichts sagte. Sonst gab es nichts in Frau Hovenbitzers ehemaligem Schränkchen zu besichtigen.
Arthur steckte die Tabletten ein und schaute sich die anderen Zimmer an. Eins war fast kom plett leer geräumt, das andere schien als Mehrzweckraum zu dienen: Schlafcouch, Trimmrad, Bügelbrett. Er stöberte noch ein wenig in den Schränken und Kommoden herum. Keinerlei weibliche Kleidungsstücke mehr, anscheinend hatte die Frau alles mitgenommen.
Arthur ging wieder nach unten und half seinem Kollegen bei der Durchsuchung der Erdg eschossräume, aber sie fanden nichts, was man auf Anhieb mit dem Verbrechen in Verbindung hätte bringen können.
Zum Schluss nahmen sie sich den Keller vor: einiges an Gerümpel, ausrangierte Schränke, Sessel, Liegestühle, ein paar Kästen Bier, aber auch ein gut bestücktes Weinregal, Kartons mit altem Kram, aber dann fiel Arthur dank der an der Kellerdecke installierten Neonröhren auf, dass die Griffleiste im Unterteil eines klapprigen Küchenschranks weit weniger verstaubt war als die anderen.
Er kniete vor dem Schrank nieder, räumte zwei Kartons mit Weihnachtsdekoration heraus und entdeckte dahinter einen dicken, braunen Umschlag. Er holte ihn hervor, öffnete ihn und schaute hinein, während sein Kollege ihm über die Schulter sah: eine ganze Menge großer und kleiner Geldscheine.
„Kön nten ein paar Tausend Euro sein“, mutmaßte Arthur.
„Das Haus sieht nicht gerade durchwühlt aus, also waren die Täter anscheinend nicht hinter dem Geld her.“
„Richtig, die Täter wollten was anderes.“ Arthur dachte einen Moment nach. „Oder aber die Täter brauchten nicht zu suchen, weil sie glaubten, das Geld sowieso zu bekommen.“
„Häh?“
„Nehmen wir an, die
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