Im Kettenhemd (German Edition)
musste.
An diesem Abend war der Sonnenuntergang ein besonders grandioses Schauspiel und verhieß, so man den Mönchen im Lager glauben schenken konnte, ein durch Gott gesegnetes Unternehmen der französischen Truppen.
Rainier de Dijon war auf einen Tisch gestiegen und schaute über die Menge. Der Anblick, der sich durch die in glänzendes Eisen und bunte Wappenfarben gewandeten Ritter bot, war durch nichts zu übertreffen. Die Schlachtrösser waren zum größten Teil ebenfalls im Harnisch und wirkten oft bereits durch ihre wuchtige Erscheinung furchteinflößend. Die voll aufgerüsteten Ritter und Knappen erfüllten ihn mit großer Zuversicht, sodass er keinen Zweifel am Ausgang des bevorstehenden Kampfes hegte.
Am Vortag war der Kardinal von Paris eigens angereist, um das Heer des Königs zu segnen. Der Papst selbst hatte seinen Stellvertreter entsandt, um den Truppen des Königs seinen geistlichen Beistand zu gewähren. Hofften doch auch die Vertreter des Glaubens wenigstens einen Teil der geraubten Kirchenschätze wieder zu erlangen.
Nach dem Feldgottesdienst rief dann Rainier de Dijon seinen versammelten Rittern zu: »Ihr Edlen, morgen wagt Ihr Euer Leben gegen einen hart kämpfenden Feind. Ich dulde keine Niederlage und erwarte einen grandiosen Sieg von Euch. Wir werden keine Gefangenen machen und ich verteile die Kriegsbeute auch nach Tapferkeit und persönlichem Erfolg. Meine Herolde werden mir von Euren Taten berichten und mein Cousin, der König, wird für jeden von Euch eine Bulle bereithalten, die ihn standesgemäß erwähnt.«
Wie zur Zustimmung schnaubte und wieherte das zuvorderst stehende Pferd des Bernhard van Stavenhagen und zauberte den umstehenden Rittern ein mildes Lächeln ins Gesicht. Die Grafschaft derer van Stavenhagen besitzt in Flandern die größte Pferdezucht des Landes. Bernhards Vater war Hoflieferant der Krone und rüstete ganze Armeen mit seinen belgischen Warmblütern aus. Der junge Stavenhagen war ein ungestümer Ritter, der durch Eleganz und seine Körpergröße von über sechs Fuß auffiel. Sein treuer Hengst Brasac war ein reines Muskelpaket und schnell wie der Wind.
Dietrich von Seidenpfad löste sich aus der Versammlung der Edlen heraus, ritt frontal auf das Reiterheer zu und riss sein Schwert aus der Scheide. Hoch in den Himmel streckte er seine Klinge und rief: »Morgen werden wir die Normannen aus diesem Teil der Welt vertreiben. Wollt ihr mir bis zum Sieg folgen und für Gott und Frankreich streiten?«
»Montjoie Saint-Denis! Für den König und Frankreich!«, tönte es aus Hunderten Kehlen, und sie streckten ebenfalls ihre Waffen gen Himmel.
Dietrich hatte ein überaus gutes Gefühl, als er die Entschlossenheit dieser Männer sah und auch tief in seinem Inneren empfand. Diese Reiterei musste wie eine unaufhaltsame Walze das versammelte und vor allem zusammengedrückte Zentrum der Engländer niederreiten und somit den Sieg erringen. In vorangegangenen Schlachten hatten stets die Engländer, sogar in absoluter Unterzahl, die französischen Heere geschlagen und den tapferen Verteidigern der Heimat den Sieg gestohlen. Diesmal waren alle Vorbereitungen auf Erfolg abgestimmt und man hatte aus gemachten Fehlern gelernt. Die gefährlichen Einheiten der englischen Langbogenschützen sollten durch die neue Taktik wirkungslos gemacht werden. Für Gott und den König sollte diesmal der Sieg erfochten werden und alle hofften überdies noch auf satte Beute, hatten doch die Engländer aus allen umliegenden Klöstern und Städten geraubtes Gut bei sich.
Eben dieser riesige Gold- und Silberschatz hatte Söldner und Glücksritter aus ganz Europa und dem Mittelmeerraum angelockt. Zum Leidwesen der normannischen Eroberer konnte ein Großteil der Schätze nicht nach Britannien verschifft werden, weil die französischen Kriegsschiffe dies verhindert hatten. Einige Kapitäne von kleineren Knorren hatten sich aber dennoch immer wieder der Gefahr gestellt.
Dieser Schiffstyp stammte von den Wikingern und war als recht schneller Segler weit verbreitet. Trafen sie aber auf französische Kriegsgaleeren, die mit Segelunterstützung schnell heran waren, reichte oft eine Salve aus den dort einbebauten Torsionsgeschützen, um sie zur Aufgabe zu zwingen. Schon die Römer hatten diese Art der Schiffsbewaffnung eingesetzt, und so hatte sich der Fernschuss durch diese Schleudern lange erhalten. Leider waren die neuen Pulvergeschütze noch wenig seetauglich, da das fehlerfreie Gießen der Rohre ein großes
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