Im Kettenhemd (German Edition)
den wimmernden armen Teufel auf die groben Holzplanken gebunden, um auch noch das letzte kleine Geheimnis aus ihm herauszuholen. Der Folterknecht Mandrill war ein Meister der Überredungskunst. Seine Stockhiebe auf die nackten Fußsohlen konnte auch der härteste Krieger nicht aushalten. Mandrill schlug wieder und wieder zu, bis es den Körper des Gefangenen schüttelte, als würde er erfrieren. Markerschütternde Schreie entfuhren dem Engländer und wie im Fieber stolperten Sätze über seine Lippen. Bald waren seine Fußsohlen so aufgeplatzt und blutig, dass es wohl hundert Tage brauchte, bis er wieder auf ihnen würde stehen können.
Ungeachtet dessen gingen die Vorbereitungen zur Schlacht weiter. Zwei von den neuen Mörsern wurden den Sturmrotten des von Bingen überlassen. Diese fehlten zwar dem Lütticher auf der rechten Seite des Feindes, aber die linke Palisade musste um jeden Preis genommen werden. Die Mörser wollte man so dicht, wie es eben ging, vor die Verschanzung der Engländer bringen. Der direkte Schuss sollte dann die dicken Stämme der Palisade aufbrechen. Die großen Abschusstöpfe konnten später auch mit kleinen Steinen und gehacktem Blei gefüllte werden. War erst eine Bresche geschlagen, wollte von Bingen damit unter den englischen Verteidigern verheerende Verwirrung stiften.
Bald war von Bingens Heer versammelt und zog dem Sonnenuntergang entgegen. Noch in dieser Nacht wollte man möglichst dicht am Feind hinter einer Hügelkette Aufstellung nehmen. Die Westseite des englischen Lagers sollte dann im Morgengrauen angegriffen werden.
Die Bombardiers, wie diese Kanoniere im französischen Heer genannt wurden, hatten viel Fett an die Achsen ihrer Mörserhaubitzen und Katapulte geschmiert. Ein Quietschen oder Rattern der Räder musste unbedingt vermieden werden. So hoffte man möglichst lange unentdeckt zu bleiben, um bei den Engländern gar nicht erst Vorbereitungen zum Kampf aufkommen zu lassen.
Lutz von Lüttich hatte seine Katapulte und Mörser an die Zugtiere spannen lassen und schaute sinnig in die Abenddämmerung. Er wusste um die wichtige Rolle, die ihm und vor allem seiner Mannschaft zugefallen war. Sollte es ihm nicht gelingen, die für seine Waffen erkundete Stelle unentdeckt einzunehmen, so war das ganze Unternehmen gefährdet, ja möglicherweise würde dann sogar die Schlacht verlorengehen. Er hatte mit von Bingen vereinbart, dass dessen beste Männer die Vorhut bildeten. Sie sollten die feindlichen Späher unschädlich machen, bevor diese Alarm schlagen konnten. Er atmete tief die laue Abendluft ein und dachte an seine Heimat in Flandern, die ihm derzeit so weit entfernt schien.
Als er einst im Winter mit Schneebällen nach seinen Geschwistern warf und fast nach Belieben traf, hatte sein Vater dabei seine Begabung entdeckt und ihm das genaue Zielen beigebracht. Er war ein Mensch der alles, was er in die Hände bekam, zur Waffe machen konnte, und so hatte er auch schnell die besten Möglichkeiten für den Einsatz der neuen Pulverbombarden entdeckt. Seine Männer waren voll Bewunderung für ihren Anführer und gehorchten ihm mit Respekt.
Der Abend vor der Schlacht war für alle Teilnehmer ein besonderes Kapitel. Es gab keinen Grund zum Feiern. Dies war eher ein Zeitpunkt, um in sich zu gehen. Die Männer dachten an das bisher Erlebte, um dann mit Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, aber auch in die der Heerführer, gegen den Feind marschieren zu können. Auf einem leicht abschüssigen Terrain nahe dem kleinen Wäldchen hatten sich die Ritter der schweren Reiterei bereits vollständig versammelt. Sensible Tiere wie Pferde spüren stets die Anspannung einer Situation und waren erwartungsgemäß recht unruhig.
Dietrich hatte Junker Jörg und seinem Knappen Cedric aus Rücksicht auf Jörgs frische Verwundung und Cedrics Jugend eine Position an der linken Seite der Angriffsformation zugewiesen, damit sie nicht die volle Wucht des Anpralls auf den Feind aushalten müssten. Cedric hatte den Bidenhänder rechts an der Vorderflanke seines Pferdes befestigt, wollte aber im ersten Angriff seinen Morgenstern einsetzen. Mit der langen Kette des Morgensterns konnte er seine Gegner auch hinter dem Schild treffen. Meist schlug die Dornenkugel dann am Kopf des Feindes ein. Der Junker wiederum gedachte mit dem Streithammer seine Gegner zu überwinden. Dietrich hatte ihn mit dieser Waffe oft kämpfen sehen und hätte nicht sein Widersacher sein wollen, wenn Jörg um sein Leben kämpfen
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