Im Kettenhemd (German Edition)
haben.«
Dietrich erzählte ihm, was geschehen war und auch dass der Junker aller Wahrscheinlichkeit nach dem Massaker entkommen war.
»Das würde unsere Chance erhöhen, hier nicht vermodern zu müssen«, meinte Karl.
Als beide noch ihre Erlebnisse austauschten, wurde plötzlich die Tür der Zelle aufgeschlossen und zwei Bewaffnete betraten den Kerkerraum. Die in der Nähe der Tür kauernden Mitgefangenen wurden weiter nach hinten getrieben, und ein Dritter stellte zwei Bottiche in den Raum. Nach kurzem Rundblick verschwanden die Kerle wieder.
»Die haben unser Festmahl gebracht«, sagte Karl, »ein Bottich mit Essen und einer mit Wasser.«
Kaum hatte sich die Tür geschlossen, stürzten sich einige Gefangene auf die Eimer. Karls Kette war zu kurz, er konnte nicht an das Essen gelangen, und so hatte er bis jetzt immer warten müssen, dass etwas übrig bliebe. Dietrich hatte nicht vor, sich mit denen ständig um das Essen zu streiten, und so ging er hin, griff sich den Bottich mit Essen und ging auf Karl zu.
»Ich werde ab jetzt das Essen verteilen!«, rief er den anderen zu. Unter den Mitgefangenen waren auch einige Engländer. Die waren naturgemäß nicht mit Dietrichs Regime einverstanden, und zwei der Kerle griffen ihn auch sogleich an. In Dietrichs Gesicht aber war Entschlossenheit zu lesen und die Narbe unter seinem rechten Auge zeigte seine Verwegenheit. Mit zusammengekniffenen Augen und listigem Blick stellte er sich den Männern entgegen.
»Attention!«, rief Karl.
Damit war zu rechnen, deshalb blieb Dietrich auf der Hut. Schnell stellte er den Bottich vor Karl ab, fuhr herum und klärte mit einigen kräftigen Hieben und Tritten die Fronten. Die Kerle waren allesamt nicht mehr in der besten Verfassung und somit nicht wirkliche Gegner.
»Ist hier noch jemand andere Meinung?«, rief er in die Runde.
Vorerst hatte niemand den Mut sich zu widersetzen, aber man musste immer mit allem rechnen.
»Wir müssen, versuchen, deine Kette loszuwerden. Wie bist du denn überhaupt zu dieser Ehre gekommen?«, wollte Dietrich wissen.
»Oh, das muss reine Nächstenliebe von den Engländern sein, weil ich denen zwei ihrer Ritter ordentlich verbeult habe«, sprach Karl mit Sarkasmus in der Stimme.
Nachdem sie ihre Mahlzeit in der neuen »Herberge« hinuntergewürgt hatten, konnte sich Karl mit etwas Wasser reinigen. Als wenig später sein Gesicht von Dreck und Blut befreit war, sagte Dietrich mit Galgenhumor: »Ja, jetzt erkenne ich dich, du bist es wirklich.«
Kurz darauf im Flüsterton: »Wir können nur beten und hoffen, dass die Unseren baldigst diese Mauern einnehmen und wir dann wieder freikommen.«
»Sollte uns dies vergönnt sein, Herr Baron, werde ich mich bei jedem Engländer, der vor meiner Schwerspitze steht, persönlich bedanken«, sagte Karl grimmig.
10. Kapitel
Junker Jörgs Rückkehr
Im französischen Heerlager war man ahnungslos hinsichtlich der Geschehnisse um Dietrich von Seidenpfad. Rainier de Dijon wähnte die Sicherung der Burgzugänge somit in guten Händen. Ein Großteil der Truppen hatte sich vorerst wieder in ihr Ausganglager begeben, um sich auf den bevorstehenden Endkampf vorzubereiten. Das Heer wurde durch die neuen Truppen aufgefüllt, und überall übten sich Soldaten im Nahkampf. Das schöne Wetter trug sein Übriges zur Erholung der Männer bei, und so frönten sie auch bald wieder Wein, Weib und Gesang.
Der Heerführer trieb unterdessen die Vorbereitungen zur Erstürmung der Wehranlagen von Gaillard voran. Hierfür hatte ihm Armaldus de Vilkania bereits die neuen Feuerbrände in Tongefäße füllen lassen. Heute gegen Mittag wollte er einer Vorführung beiwohnen, die ihm und den Anführern der Heeresrotten die Wirkung dieses Teufelszeugs zeigen sollte. Eigens dafür wurde ein Stück der ehemaligen Befestigung des englischen Heerlagers ausgewählt, welches dafür gut geeignet erschien. Eine kleine Besatzung war dort zur Sicherung und Pflege der Verwundeten zurückgeblieben. Sie hatten sich im Innern der Süd-Schanze eingerichtet und standen durch Meldereiter mit der Hauptmacht in Verbindung.
Als sich zur zehnten Stunde zwei Reiter aus der Richtung des Chateaus näherten, gaben die Wachen Alarm. Burghart von Bingen war gerade wegen der Reparatur seines Schildes beim Waffenschmied. Der brachte ein Eisenband quer über dem Schild an und vernietete es kunstvoll, als Burghart das Signal in die Ohren drang. Er war der Anführer, den de Dijon mit einer kleinen Besatzung dort zurückgelassen
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