Im Kinderzimmer
tröstete sich Jenny mit der Aussicht auf ein Essen, freute sich weniger auf die Gesellschaft Katherines, mit der das Zusammensein in Monicas Abwesenheit immer eine Idee verkrampft war, und überlegte amüsiert, was Monica wohl 161
im Schilde führte, Monica, die in den vergangenen zwei Wochen so wenig mitteilsam gewesen war. Konnte sich nur um eine heimliche Tändelei handeln. Als sie daher das Bistro betrat, gähnend leer bis auf die eifrigen Kellner, in Gedanken halb bei dem Einkaufsbummel, den sie anschließend machen wollte, Kinderklamotten kaufen, ein süßes Kleid hatte sie schon in der Auslage gesehen, und in der diffu-sen Hoffnung, daß Katherine ihr etwas mitgebracht haben könnte, war ihr Groll verflogen, so daß sie, als sie den gepflegten blonden Kopf erspähte, durchaus Begeisterung aufzubringen in der Lage war.
Und als sie Katherines frische Leinenbluse mit dem hohen Nehru-Kragen bemerkte, zu dem das für Katherines Verhältnisse übertrieben dick aufgetragene Make-up unpassend wirkte, zumal im Hochsommer, munterte dieses Anzeichen kaum wahrnehmbarer Risse im üblichen Lack Jenny so auf, daß sie erleichtert grinste. Sie konnte nicht unfreundlich sein; das Essen würde sicher nett und angenehm, ein Gläschen Wein zur Auflockerung.
Doch es war Katherine, die den Anfang machte. Sie versicherte überstürzt, regelrecht heftig: »Tut mir wirklich leid, daß ich mich bei den Holmes so blöde benommen habe.« Sie brach Brot mit ihren zartgliedrigen Fingern. »Periode wahrscheinlich. Ich rege mich manchmal unnötig über Kleinigkeiten auf, das sagt auch David. Tut mir leid, dich damit belastet zu haben. Wo steckt Monica?«
In ihrer Stimme schwang ein ungutes Timbre mit, das Jenny lieber überging. Katherine hatte sich ihr Sprüchlein zurechtgelegt, hatte sich sehr zusammengenommen.
»Monica kann heute nicht, läßt sich entschuldigen.«
»Ach, wie schade«, meinte Katherine. »Ich habe nämlich ein paar Teppiche mit, die im Laden über waren. Eigentlich auch zu preiswert für Isaacs Auswahl.« Sie kramte in einer Tasche und zog schließlich zwei kleine Teppiche hervor, indische Numdahs, wie Jenny sah, wahre Prachtexemplare in Rosa-, Grün- und Blautönen auf creme-weißem Hintergrund, schon eher Stickereien als Teppiche. Katherine entspannte sich, als sie die Farben vor sich liegen hatte. Farben beruhigten sie. Und auch Jennys Billigung hatte diesen Effekt. Darüber hatte sie doch auch etwas in einer Zeitschrift gelesen, oder? Daß die 162
Leute einem davonliefen, wenn man sie merken ließ, daß man sie brauchte?
»Kann man die waschen?« fragte Jenny, die sehr wohl wußte, daß man es nicht konnte, der Versuchung aber nicht widerstehen konnte.
Numdahs waren nicht teuer, aber auch nicht so billig, daß sie umsonst nicht willkommen wären. Sie hatte den bösen Verdacht, daß sie keineswegs »über« gewesen waren. »Wenn nicht, sind sie bei uns schlecht zu gebrauchen.« Katherines freudiger Ausdruck war plötzlich wie weggeblasen. Jenny merkte, daß sie recht schroff geklungen hatte. »Katherine«, redete sie ihr in sanfterem Ton zu, »die sind doch viel zu schön zum Hergeben. Hast du nicht selbst Verwendung da-für?« Sie strich mit den Fingern über die grobgewirkte Wolle. Es waren Numdahs von sehr guter Qualität. Katherine war jedoch noch bei der vorherigen Bemerkung. »Du könntest sie doch irgendwo auslegen, wo die Kinder nicht hingehen«, hieß ihre schlichte Lösung.
Jenny dachte: Im ganzen, großen, geräumigen Haus gibt es keinen solchen Ort, dachte aber auch verwundert, wie gierig sie immer auf diese Angebote Katherines war, sah im Geiste die Pastellfarben der Numdahs bereits im Schlafzimmer, je einen zu beiden Seiten des Bettes – zwei für sie und keinen für Monica. Geschah ihr recht.
»Dann also tausend Dank«, sagte sie lediglich, vergaß jedoch nicht darauf hinzuweisen, daß sie fürs Essen bezahlen würde, ein gutes Geschäft, dachte auch, wie dieses Tauschgeschäft schon zum Ritual geworden war, und dann schließlich, ohne sich weitere Gedanken zu machen, richtete sie sich auf belangloses Plaudern ein.
Wenn ich etwas sage, dachte Katherine, wenn ich ihr sagen würde, was passiert ist, dann wird sie mir einfach nicht glauben. Sie wird glauben, daß es an mir lag, sie wird mich nicht mehr anlächeln, wird mich nicht mehr mögen. Ich kann es nicht. Sie schwieg und überließ Jenny die Führung.
Mary Fox hatte sich zufällig für dasselbe Lokal entschieden, oder vielmehr dieselbe
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