Im Koenigreich der Traeume
Armen und gespreizten Beinen an einen strategisch günstigen Punkt postiert und starrte mit todernster Miene stur geradeaus. Gleich neben ihm stand Tante Elinor und redete unaufhörlich auf ihn ein, als würde ihr Leben davon abhängen, daß er ihr eine Antwort gab.
Royce folgte Jennys Blick. »Deine Tante«, begann er lächelnd, »scheint die Gefahr zu suchen und ihre hellste Freude daran zu haben.«
Mutig geworden durch den vielen Wein, erwiderte Jenny sein Lächeln. »Spricht Arik überhaupt irgendwann - ich meine, in ganzen Sätzen? Oder hat er schon einmal richtig von Herzen gelacht?«
»Ich habe ihn noch nie lachen sehen. Und er sagt immer nur das Allernötigste.«
Jenny sah in diese zwingenden grauen Augen und fühlte sich mit einemmal eigenartig sicher und geborgen, und trotzdem war sie sich unangenehm bewußt, daß ihr Mann ein unentwirrbares Rätsel für sie darstellte. Sie vermutete, daß er in dieser gelösten
Stimmung bereit sein könnte, eine Frage zu beantworten, und sagte leise: »Wie hast du ihn kennengelernt?«
»Wir wurden uns nie offiziell vorgestellt«, neckte er sie, merkte aber, daß ihr diese Information bei weitem nicht genügte, und setzte hinzu: »Zum erstenmal bin ich Arik vor acht Jahren begegnet - mitten im Getümmel einer Schlacht, die eine volle Woche gedauert hat. Er versuchte, sich gegen sechs Angreifer gleichzeitig zu wehren, die ihn als Ziel auserkoren hatten und zur selben Zeit mit Schwertern auf ihn eindroschen. Ich kam ihm zu Hilfe, und zu zweit wurden wir mit den Angreifern fertig. Als wir die sechs Gegner unschädlich gemacht hatten, war ich verwundet, aber Arik hat sich nicht einmal bei mir für die Unterstützung bedankt. Er sah mich nur an und ritt zielstrebig los, um sich an anderer Stelle erneut in die Schlacht zu stürzen.«
»Und das war alles?« hakte Jenny nach, als Royce in Schweigen verfiel.
»Nicht ganz. Am nächsten Tag, kurz vor Einbruch der Nacht, wurde ich wieder verwundet und diesmal sogar aus dem Sattel geworfen. Als ich meinen Schild aufhob, sprengte ein Reiter direkt auf mich zu und zielte mit seiner Lanze auf mein Herz. Im nächsten Augenblick fiel dem Lanzenreiter der Kopf von den Schultern, und gleich hinter ihm war Arik und schwang seine blutige Streitaxt, während er, ohne ein Wort zu sagen, davonritt.
Meine Verletzungen behinderten mich damals stark, und Arik tauchte an diesem Abend noch zweimal wie aus dem Nichts auf, um meine Angreifer zurückzuschlagen, wenn ich zu unterliegen drohte. Am nächsten Tag haben wir die Feinde in die Flucht geschlagen und jagten ihnen nach. Ich merkte, daß Arik neben mir ritt, und seither ist er mir nicht mehr von der Seite gewichen.«
»Also hast du seine uneingeschränkte Loyalität gewonnen, weil du ihn vor den sechs Angreifern gerettet hast«, stellte Jenny fest.
Royce schüttelte den Kopf. »Vermutlich habe ich mir seine uneingeschränkte Loyalität erst eine Woche später verdient, als ich eine Schlange tötete, die unbemerkt auf Ariks Decke gekrochen war.«
Jenny kicherte. »Du willst mir doch nicht weismachen, daß dieser Riese Angst vor Schlangen hat?«
Royce sah sie mit gespielter Entrüstung an. »Frauen haben Angst vor Schlangen«, erklärte er bestimmt. »Männer hassen sie.« Gleich darauf verdarb er die Wirkung dieser Aussage mit einem jungenhaften Grinsen. »Wie auch immer, es ist im Grunde dasselbe.«
Royce sah in ihre vergnügt blitzenden blauen Augen und sehnte sich schmerzhaft danach, sie zu küssen. Doch Jenny war so verzückt von seinem zugänglichen, humorvollen Wesen, daß die Frage aus ihr heraussprudelte, die sie schon lange quälte. »Hattest du heute wirklich vor, ihn diesen Jungen aus dem Dorf töten zu lassen?«
Er zuckte ein wenig zurück, dann sagte er ruhig: »Ich glaube, es wird Zeit, daß wir nach oben gehen.«
Dieser plötzliche Entschluß verwirrte Jenny, und da sie nicht wußte, ob er vorhatte, sich oben weiter mit ihr zu unterhalten, zögerte sie und fragte: »Warum?«
»Weil du reden möchtest«, erwiderte er, »und weil ich mit dir schlafen möchte. Ich denke, mein Zimmer dient beiden Zwecken besser als diese Halle.«
Jenny wußte, daß ihr gar nichts anderes übrigblieb, als mit ihm zu gehen, wenn sie nicht eine peinliche Szene heraufbeschwören wollte. Ein erschreckender Gedanke schoß ihr durch den Kopf, als sie den ersten Schritt machte. Sie sah ihren Mann flehentlich an. »Sie werden uns doch nicht folgen, oder?« fragte sie verzagt. »Ich meine, es gibt
Weitere Kostenlose Bücher