Im Koma
uns hören?« »Nein, natürlich nicht.«
»Kannst du uns hören, Casey?«, fragte Drew und beugte sich näher, sodass ihr Atem über Caseys Wange strich wie die raue Zunge einer Katze. Bildete sie sich das nur ein? »Verstehst du, was wir sagen?«
Ja. Ja, ich verstehe alles.
»Niemand zu Hause«, verkündete Drew und zog sich wieder zurück.
»Pass auf mit deinem Ellenbogen«, ermahnte Warren sie. »Sie hat schon genug blaue Flecken.«
Drew machte ein abschätziges Geräusch. »Und was passiert jetzt?«
»Nun, hoffentlich verbessert sich ihr Zustand weiter. Mit der Physiotherapie werden ihre Muskeln kräftiger werden. Und die Ärzte wollen die Atemzüge des Beatmungsgeräts weiter kontinuierlich reduzieren. Sie sind zuversichtlich, dass sie in ein bis zwei Wochen anfangen kann, aus eigener Kraft zu atmen.«
»Heißt das, dass sie das Bewusstsein wiedererlangen wird?«
»Nein. Das sagt niemand.«
»Was sagen sie denn? Bleibt sie vielleicht für immer so?«
Nein, nein. Das wird nicht geschehen. Sag ihr, dass das nicht geschehen wird, Warren.
Schweigen.
»Also, noch einmal, was passiert jetzt?«
Warren stieß einen langen Seufzer aus. »Sobald Casey das Beatmungsgerät nicht mehr braucht, werde ich versuchen, sie mit nach Hause zu nehmen. Ich werde geeignetes Pflegepersonal einstellen...«
»Ich meine, was passiert jetzt mit mir?«, unterbrach Drew ihn.
Wenn sie dazu in der Lage wäre, hätte Casey vielleicht gelacht. Sie fand es eigenartig tröstlich, dass manche Dinge sich niemals änderten, egal unter welchen Umständen. Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose, dachte sie. Und Drew war Drew war Drew und würde es immer bleiben.
Konnte sie ihr das verdenken?
Ihre Schwester hatte von früh an gelernt, dass der einzige Mensch, der sich um sie kümmern würde, sie selber war. Gelegentlich hatte Casey versucht, die Rolle der Eltern zu übernehmen, doch Drew hatte sie immer vehement daran erinnert: »Du bist nicht meine Mutter!« Also hatte sie Abstand genommen.
Aber Casey war die Nachlassverwalterin des Erbes ihrer Eltern und damit diejenige, die die Entscheidungen traf und die Schecks unterschrieb.
»Was passiert mit dir?«, wiederholte Warren.
»Ja, ich finde, unter den gegebenen Umständen ist das eine durchaus berechtigte Frage.«
»Und eine, die ich nicht beantworten kann, fürchte ich.«
»Warum nicht?«
»Weil ich es nicht weiß.«
»Du bist doch Anwalt. Ich dachte, Anwälte wissen so was.«
»Aber ich bin kein Spezialist für Erbrecht.« Casey konnte hören, wie ihr Mann sich bemühte, ruhig zu bleiben.
»Ich bin sicher, du hast schon mit einem gesprochen.«
»Nein, das habe ich offen gestanden noch nicht.«
»Du hast noch mit niemandem darüber gesprochen, was mit dem Vermögen deiner Frau geschieht, wenn sie in einem anhaltenden vegetativen Zustand bleibt?«
Ich bin nicht in einem vegetativen Zustand. Nein. Das bin ich nicht.
»Es fällt mir äußerst schwer, das zu glauben«, fuhr Drew fort.
»Ich hatte noch ein paar andere Dinge im Kopf, Drew.«
Casey spürte, wie ihre Schwester begann, vor dem Bett auf und ab zu laufen. Sie hörte das Klackern ihrer Absätze und fragte sich, was sie anhatte. Wahrscheinlich schwarze Leggings und einen weiten Pulli. Ihr langes blondes Haar war vermutlich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und an ihren Ohren baumelten die obligatorischen, großen, silbernen Ohrringe, während sie Warren aus dunkelgrünen Augen wütend anfunkelte.
»Ich dachte, wenn Casey irgendwas zustößt, würde das Vermögen meines Vaters automatisch mir überschrieben.«
»Casey ist nicht tot, Drew«, erinnerte Warren sie.
»Aber sie könnte ebenso gut tot sein.«
O Gott.
»Okay, das reicht«, sagte Warren, als das Klackern von Drews Schuhen vor dem Bett zum Stehen kam. »Ich fürchte, du wirst dich einfach gedulden müssen.«
»Du hast gut reden. Du musst dir wegen Geld keine Sorgen machen.«
»Vielleicht solltest du dir einen Job suchen«, schlug Warren vor.
»Muss ich dich daran erinnern, dass ich ein Kind zu versorgen habe?«
Bei der Erwähnung ihrer fünf Jahre alten Nichte, die in fast jeder Hinsicht ein kleiner Klon ihrer Mutter war, spürte Casey einen Stich in der Brust, und sie fragte sich, ob Lola, wie von ihrer Mutter prophezeit, wirklich zu einer Schönheit heranwachsen würde. Die gleichen Voraussagen hatte sie auch schon über Drew selbst gehört, und obschon ihre Schwester unbestreitbar zu einer hübschen jungen Frau gereift war - sofern man die
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