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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Gerüst umgeben, das sich weiter oben fortsetzte und bis an die Regenrinne reichte. Manche Säulen wurden
     durch dicke Eisenstangen zusätzlich gestützt.
    Der Garten im Innenhof wirkte spießig-akkurat. In der Mitte war ein größerer Platz mit feinem Kies bestreut, ansonsten wuchs
     auf den einzelnen Beeten alles mögliche Grünzeug. Was da wuchs, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen. Mit Flora und Fauna
     hatte ich es noch nie. Cannabis jedenfalls, das einzige Gewächs, das ich zuverlässig als solches identifizieren kann, war
     nicht dabei. Hätte mich auch gewundert.
    Ein paar Nonnen schlichen gebeugt über die Beete und buddelten, harkten, pflanzten oder taten irgendwelche Dinge, die man
     in einem Garten eben so tut. Sie trugen alle ihre komplette Tracht mit langem Rock und Schleier und sahen daher aus wie gigantische
     Maulwürfe. |47| Vor allem die eine, die gelbe Gummihandschuhe trug. Manche hatten sich eine Gärtnerschürze über den schwarzen Kaftan gebunden.
     Eine noch unpraktischere Kleidung hätte nur in einer Hose bestehen können, deren Beine an der Innenseite aneinandergenäht
     sind. Aber wenn die Mädels meinten, dass der liebe Gott sich über ihre schwarzen Kutten mehr freut als über eine knackige
     Leopardenjeans, dann sollten sie halt damit glücklich werden.
    An den hofseitigen Fundamenten aller vier Gebäudetrakte waren Bauarbeiter damit beschäftigt, die Mauern freizulegen und abzudichten.
     An der Rückseite der Kirche stand ein Gerüst, auf dem einige Gestalten herumturnten. Der Höllenlärm, den die Kolonne machte,
     störte das Bild des friedvollen Klosterlebens ganz erheblich.
    »Hier entlang geht es zu den Gemeinschaftsräumen«, erklärte Marlene und zischte in die nächstgelegene Tür. Im Erdgeschoss
     lag eine riesige Küche, in der mehrere Nonnen das Mittagessen vorbereiteten. Das Treiben erinnerte mich an die Jugendherbergen,
     in denen Schüler auf Klassenfahrten mit der appetitlichen Welt der Großküchenverpflegung in Berührung kommen. Mit matschig
     weich zerkochten Spaghetti in einer undefinierbaren Sauce, die aber, egal was drin ist, immer Bolognese heißt. Mit rotem oder
     orangefarbenem Glibber in Glasschälchen, den man sich auf eine fälschlich als Brot angepriesene Scheibe Dämmschaum streichen
     sollte. Und mit Fleisch, das ich als Metzgerssohn sofort in all seiner Widerwärtigkeit als das erkannte, was es war: vom Knochen
     geschabte Reste von Muskeln, Sehnen oder Fett, die zerfasert, mit Gewürzen versetzt, mit Bindemitteln verklebt und unter Druck
     zusammengepresst wurden, um leichtgläubigen Hungerleidern den Anschein eines Schnitzels vorzugaukeln.
    Davon war in der vorsintflutlichen Klosterküche, die |48| noch älter als die älteste Jugendherbergsküche war, allerdings nichts zu sehen. Neben dem großen Gemüsebottich stand eine
     kleinere Schüssel mit richtigem Fleisch. Zwar in Gulaschwürfelgröße, aber immerhin richtiges Fleisch. Ein Punkt für die Betschwestern.
    Neben der Küche lag der Speisesaal mit den obligatorischen Blumenväschen auf den langen, abgewetzten Tischen. Ein großes Kreuz
     war der einzige Wandschmuck. Wenn man von Schmuck sprechen kann. Mir jedenfalls würde der Appetit vergehen, wenn der ans Kreuz
     getackerte Jesus mir aus blutunterlaufenen Augen auf meinen Teller glotzen würde. Direkt anschließend lag das, was Marlene
     Remise nannte. Dabei handelte es sich um eine große Tordurchfahrt, die an der Außenseite mit einem schräg in den Angeln hängenden,
     altersschwachen Tor verschlossen war. Während der Sanierungsarbeiten diente diese Durchfahrt als Baustofflager.
    »Gegenüber ist die Aufteilung so ähnlich, bis auf die Küche«, erklärte Marlene. »Dort ist auch die Verwaltung untergebracht.«
    Ich blickte quer über den Innenhof zu den Fenstern der gegenüberliegenden Längsseite und war beeindruckt von der Größe des
     ganzen Komplexes. Von außen hatte alles viel kleiner gewirkt.
    Wir hatten bei unserem Rundflug nur wenige Schwestern gesehen, aber ich hatte deutlich Marlenes Sehnsucht gespürt, noch dazuzugehören.
     Zum Glück verkniff sie sich jedes Gejammere, sondern litt still vor sich hin. Aber auch das machte mich schon traurig genug.
     Verweichlicht, ich sagte es ja schon.
    »Jetzt kommen wir zum schönsten Teil.« Ich folgte Marlene zu dem der Kirche gegenüberliegenden Flügel, den sie durch ein großes,
     mittig liegendes Portal betrat. Wir durchquerten einen kleinen Vorraum und |49| befanden uns dann in

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