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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Ochse.
    »Vorsicht!«, rief Marlene. »Vorsicht!«, rief ich. Martin klappte den Mund wieder zu.
    |233| »Sag nichts. Man darf seine Quellen niemals verraten. Loyalität gilt in dieser Branche als einziges Charaktermerkmal.«
    Ich gab die Info weiter, Martin presste die Lippen zusammen. Das folgende Schweigen dauerte eineinhalb Minuten. Diese Zeit
     kann ganz schön lang werden. Vor allem, wenn man wie Martin vor lauter Aufregung die Luft anhält. Nach siebenunddreißig Sekunden
     ließ er kurz ein hektisches Japsen hören, danach war wieder Ruhe.
    Irgendwann hielt Martin es nicht mehr aus. Er holte Luft, um etwas zu sagen. Marlene und ich hielten die Luft an.
    »Ein Journalist gibt niemals seine Quellen preis«, sagte Martin.
    Wir entspannten uns wieder. »Sag mal«, fragte ich Marlene, »reden die Mädels eigentlich über ihre Zuhälter?« »Gelegentlich.«
    »Weißt du etwas über Fatman?« Sie nickte.
    »Und?«
    »Später. Ich will euer Urteil nicht beeinflussen. Da!« Sie wies aufgeregt auf Fatman, der sich langsam zu Martin hinüberbeugte,
     ihm seinen baumdicken Arm um die Schultern legte und ihn zu sich heranzog, sodass Martin nur noch mit einer halben Arschbacke
     auf seinem Hocker klebte.
    »Da, wo meine Pferdchen herkommen, sind noch sehr, sehr viele, die alle ins gelobte Deutschland wollen. Wenn also eine abhaut,
     krieg ich zwei neue geliefert. Was soll es mich kümmern, wo die Weiber hinrennen?«
    »Na ja,   …«, begann Martin. »Stop!«, schrie ich. Kein Journalist wäre so naiv, anzunehmen, dass eins der Pferdchen zu den Bullen rennt |234| und Fatman anzeigt, was Martin fast ausgesprochen hätte.
    »Na ja, was?«, fragte Fatman Martin, dessen Gesicht immer noch halb in seinem Bart hing. »Na ja, dann muss ich die fünfhundert
     Euro wohl jemand anderem geben.« Fatman stand auf, ohne Martin loszulassen, dann fasste er mit seinen beiden klodeckelgroßen
     Händen an Martins Jackenaufschlag, hob ihn vom Hocker, hielt ihn einen Augenblick vor sich und setzte ihn dann vorsichtig
     ab. »Sieht so aus, Poet.«
    Dann schwang er sich mit erstaunlicher Geschicklichkeit wieder auf seinen Hocker, inhalierte den halben Liter Bier aus dem
     vollen Glas und starrte auf den Punkt an der gegenüberliegenden Wand.
    »Was sagen deine Mädels über Fatman?«, fragte ich Marlene, während wir Martin dabei zusahen, wie er auf wackligen Beinen die
     Kneipe verließ. »Er importiert Frauen über einen Schieberring, der ihm jede Woche zehn neue liefern kann. Er hat noch nie
     versucht, eine Ausreißerin zurückzuholen. Allerdings hauen auch nicht viele ab, weil es den Frauen bei ihm vergleichsweise
     gut geht.«
    Ich gab Marlenes Informationen an Martin weiter, der den Kopf schüttelte. »Dann hätte ich mir das Gespräch auch sparen können,
     oder?« Der zweite Name auf der Liste lautete Kuri. Er sollte in einem orientalischen Basar mit Dampfbad, Massage und weiteren
     Diensten zu finden sein. Zu dritt betraten wir das Teehaus, das als Eintrittstor und Verteilerzentrum für die weiteren Orte
     der Glückseligkeit diente. Tee gab es dort übrigens wirklich, allerdings auch alles andere. Und es wurde mehr anderes konsumiert.
    In einem orientalischen Teehaus gibt es natürlich keine |235| Bar, sonst wüsste ja gleich jeder, dass die ganze Sache nur Fassade ist. Martin hockte sich also an einen der kleinen Tische.
     Unsere Informationen besagten, dass Kuri üblicherweise in der linken der drei plüschroten Sitzgruppen hockte und Kunden sich
     bei ihm anmelden mussten. Außerdem sei er ein eher durchschnittlicher Typ. Durchschnittliche Visage – für einen Angehörigen
     seines Kulturkreises natürlich. Das bedeutete schwarze, ölige Haare, schwarzer Bleistiftbart, Adlernase, Goldschmuck. Außerdem
     durchschnittlich groß und durchschnittlich gefährlich. Allerdings überdurchschnittlich jähzornig und überüberdurchschnittlich
     doof. Und vermutlich kastriert.
    »Das sieht man ihm ja nicht an«, sagte Martin. »Ein klassischer Eunuch«, vermutete Marlene. »Klar, dass einer, der keine Eier
     hat, doof ist«, sagte ich. Der Mediziner unseres Vertrauens widersprach. »Auf die Intelligenz hat die Kastration keinen Einfluss.
     Nur die körperliche Entwicklung   …«
    »Egal«, sagte ich, um Martin von weiteren schlauen Vorträgen abzuhalten. »Jedenfalls sieht der Typ, der da auf dem Plüschsofa
     rumhängt, nicht aus wie die Beschreibung.«
    Das stimmte allerdings. Der Typ war so fett, dass man sich fragen musste, wie er

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