Im Labyrinth der Abwehr
zersplittert, aber ansonsten hast du richtig gehandelt. Die Zeichnungen von den Terroristen haben wir erhalten, fotografiert und an die Operationsgruppen weitergegeben. Mein Lieber, du bist ja begabt!"
Weiß blieb stehen.
„Weiter, weiter", befahl Bruno. Leise sagte er: „Es kann jeden Augenblick zum Krieg kommen. Weiter! Dreh dich nicht um! Und jetzt kommt für dich das Schwerste: Du mußt dich still verhalten! Du mußt völlig ruhig bleiben. Die Verbindung wird in den ersten Tagen unterbrochen sein." Er seufzte: „Na, sieh zu, wie du durchkommst, und keine Gefühle, außer Treue zum Reich." Danach teilte er Johann alles mit, was er wissen mußte. Er überbrachte die Befehle der Leitung, fügte seine eigenen Ratschläge hinzu. Er sagte: „Ja, du bekommst übrigens einen neuen Verbindungsmann. Und jetzt erzähl, aber kurz."
Johann berichtete alles, was er nicht über das Versteck am Telegrafenmast hatte mitteilen können. Dann trennten sie sich, zwei deutsche Soldaten, der eine ging nach rechts, der andere nach links. Sie wußten nicht, daß sie sich noch einmal, ein letztes Mal, wiedersehen sollten.
15
Johann Weiß kam in eine von Steinglitz befehligte Sondereinheit, die, den vordringenden Einheiten der Wehrmacht folgend, den Auftrag hatte, im besetzten Gebiet Materialien für die Aufklärung und Gegenaufklärung der Abwehr zu sammeln.
Aufgaben ähnlicher Art gehörten auch zum Wirkungskreis der Gestapo, und darum mußte man sie äußerst geschickt erledigen, um die Konkurrenz zu übertreffen. Alles, was zur Abteilung von Major Steinglitz zählte, hatte einen besonderen Vorbereitungslehrgang absolvieren müssen.
Beim Lehrgang wurde Weiß mit echten sowjetischen Dokumenten, Partei- und Komsomolausweisen, Pässen und anderen Papieren bekannt gemacht.
Einige Male fuhr Johann den Major in die Stadt. Eines Tages fragte er Steinglitz:
„Herr Major, während ich vor dem Gebäude des Reichskommissariats hielt, setzte sich ein Sonderführer der Gestapo in den Wagen — ein dicker, blonder, Dreißigjähriger. Erst hat er mir ein, dann noch ein Päckchen Zigaretten zugesteckt. Er versprach, das nächste Mal noch eine Flasche Schnaps dazuzulegen. Wenn Sie die Frage gestatten, was soll ich ihm über Sie sagen?"
Der Major schwieg, ganz so, als ob er nichts gehört hätte, doch daran, wie er die Augen zusammenkniff, konnte Johann feststellen, daß ihn die Worte getroffen hatten.
Erst Ende der Woche erkundigte sich der Major nachlässig:
„Na, wie ist es? Hast du diesen Burschen getroffen?"
„Ja, getroffen schon, aber ich bin einer Unterhaltung aus dem Wege gegangen, da ich von Ihnen keinerlei Anweisung hatte, was ich ihm sagen soll."
„Du bist verpflichtet, deinem Vorgesetzten alles mitzuteilen, was wichtig ist", bemerkte der Major kurz. Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er: „Das nächste Mal versuch in Erfahrung zu bringen, was ihn interessiert."
Doch Johann gelang es nicht, Steinglitz über den erfundenen Gestapomann in Schrecken zu versetzen und etwas über ihn selbst und seine Aufgabe in Erfahrung zu bringen. Schon in der folgenden Nacht wurde die Sondereinheit an die Ostgrenze abkommandiert, und Johann mußte die Stellung verlassen. Als er durch die Sperrzone fuhr, sah Johann Infanterie und motorisierte Einheiten der Zweiten Linie: Sie standen in Ausgangsstellungen. Es war der sechzehnte Juni 1941.
In einem etwas abseits stehenden Gehöft machten sie Quartier.
Die letzten Anweisungen, die der Obergefreite und ehemalige Beamte des Volksbildungsministeriums Doktor Suppe gab, betrafen hauptsächlich die Methoden zur Sortierung von feindlichen Dokumenten. Sie waren nach einem bestimmten System in tarnfarbene Leinwandtaschen zu verpacken: Parteidokumente in die eine, Staatspapiere in die zweite, Wirtschaftsunterlagen in die dritte und so fort. Jeder Soldat erhielt eine Tasche, ähnlich der, wie sie Briefträger haben.
Suppe erklärte, wie man sich zu Sowjetbürgern zu verhalten habe, um von ihnen etwas über den Aufbewahrungsort von Dokumenten und ihre Systematik zu erfahren.
In einem benachbarten Gehöft war ein Sonderkommando des SD untergebracht. Weiß erfuhr, daß die Soldaten dieser Abteilung kürzlich einen praktischen Lehrgang in Konzentrationslagern durchgemacht hatten.
Für diese Lehrgänge in Konzentrationslagern gab es sorgfältig aufgestellte Pläne. Die bis in jede Einzelheit gehenden Instruktionen sahen buchstäblich alles vor: Es gab Zeichnungen der Lagerbauten, statistische
Weitere Kostenlose Bücher