Im Land der Feuerblume: Roman
Wände bestanden aus gleichmäßigen Holzstücken, die man möglichst ebenmäßig zurechtgehauen und dann horizontal aufeinandergenagelt hatte. Das Giebeldach war erstaunlich symmetrisch, obwohl sie alles nur nach Augenmaß gebaut hatten. Die Fenster waren winzig klein und hatten dennoch allesamt zumindest eine Sprosse. Fensterläden fehlten noch, aber diese würden sie später zimmern.
Neben dem Haus war bereits Brennholz gestapelt – jene Äste und Zweige, die man vor der Brandrodung zur Seite geschafft hatte.
»So«, erklärte Lukas. »Ab morgen arbeiten wir drinnen weiter.«
Was noch fehlte, war eine Decke, die Erdgeschoss und Dachboden voneinander abgrenzte – eine gewiss ebenso anstrengende, konzentrierte Arbeit, aber zumindest eine, bei der sie nicht den Launen des wechselhaften Wetters ausgesetzt waren.
Heute erwies sich der Himmel im Übrigen als gnädig. Als Elisa sich zu Boden fallen ließ, kitzelten Sonnenstrahlen ihre Nase. Lukas setzte sich zu ihr ins Gras, und gemeinsam hoben sie das Gesicht, schlossen die Augen und genossen das warme Licht.
Elisa konnte sich nicht erinnern, jemals eine so lange Pause eingelegt zu haben. Wäre Fritz hier, würde er alsbald zur Weiterarbeit gemahnen; Poldi dagegen würde unruhig herumspringen – was nicht hieß, dass er besonders fleißig war, sondern nur, dass es ihm ungemein schwerfiel, still zu sitzen. Lukas schien das Faulsein genauso zu genießen wie sie.
»Was war es für eine Plackerei!«, stieß sie aus.
»Kannst du dich noch erinnern?«, fragte er. »An jene Bäume auf Glöckners Besitz, die nicht fallen wollten?«
Wie konnte sie das vergessen! Rund um diese Bäume hatten sich solch hartnäckige Schlingpflanzen gewunden, dass man oft zehn, ja gar zwölf von ihnen umhauen mussten, ehe sie – sich gegenseitig mitreißend – zu Fall kamen. Ohrenbetäubend war der Knall gewesen, der folgte.
»Barbara hat erzählt, dass die Tiroler jedes Mal beten, wenn sie Bäume fällen. Auch die Kinder halten sie dazu an. ›Bub, nimm ’s Kappl ab, wirrrr wollen zerscht beten‹, sagt der Großvater.«
Sie äffte den fremden Dialekt nach, und Lukas grinste.
Elisa stützte sich auf den Ellbogen ab, öffnete ihre Augen und musterte erneut das Haus. »Ich habe kaum glauben wollen, dass irgendwann jede Familie ein eigenes Haus hat. Aber nun sind wir tatsächlich fertig.«
»Na ja«, meinte er, »jetzt kommen die Scheunen dran, die Ställe, die Vorratskammern.«
Seufzend ließ sie ihren Kopf wieder auf die weiche Wiese sinken. Das war nicht alles. Noch mehr Wald musste gerodet und abgebrannt werden, um neue »Roces« – wie sie hier die Anbauflächen nannten – zu schaffen. Das Leben würde auch weiterhin dem steten Kreislauf von Säen und Ernten unterliegen, immer begleitet von der bangen Hoffnung, ob die Samen aufgingen. Und dennoch: Nun gab es ein sichtbares Zeichen dafür, dass sie dem Urwald und dem sumpfigen Seeufer eine neue Heimat abgerungen hatten.
So in Gedanken versunken, hatte sie nicht bemerkt, dass Lukas sich wieder aufgerichtet hatte. Sie blickte erst hoch, als sein Schatten auf sie fiel. Er reichte ihr eine Harke.
»Müssen wir denn wirklich schon …«, seufzte sie, weil sie dachte, er würde sie dazu auffordern, weiterzuarbeiten.
Doch er schüttelte den Kopf. »Das ist ein Geschenk. Ich habe sie für dich gemacht.«
Sie setzte sich auf, musterte die Harke genauer und erkannte, dass der Griff mit kunstvollen Schnitzereien verziert war. Sie wusste nicht genau, was diese darstellen – vielleicht die Köpfe von Menschen, vielleicht die von Kühen –, in jedem Fall aber, dass er sich viel Mühe gemacht haben musste. »Danke«, murmelte sie. »Ich wusste nicht, dass du derart geschickt mit Holz umgehen kannst.«
Er grinste scheu. »Und das sagst du ausgerechnet, nachdem ich ein halbes Dutzend Häuser gedeckt habe?«
»Das meine ich nicht. Das ist Arbeit, für die es vor allem Kraft, Geduld und Übung braucht. Aber das hier …«
Sie sprach nicht weiter. Das hier verlangte besonders viel Konzentration und Behutsamkeit, vor allem aber viel Zeit, die ohnehin immer knapp war, obendrein für etwas, was nicht notwendig, sondern lediglich schön anzuschauen war – und ein sichtbarer Beweis dafür, dass er genauso gerne mit ihr zusammenarbeitete wie sie mit ihm.
»Es ist Essenszeit. Komm mit zu uns!«, forderte er sie auf.
»Aber ich kann auch zu Hause …«
Sie wusste, wie sparsam jede Familie mit ihrer Ration umzugehen hatte.
»Wir
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