Im Land der Feuerblume: Roman
hassen begonnen hatte wie sein Onkel.
Er hatte noch mehr und härter gearbeitet als zuvor und schließlich zwei Überfahrtskarten auf der Victoria erstanden, die auf dem Rückweg von Valparaíso nach Hamburg in Corral Station machte. Kaum Geld war danach übrig geblieben, um die Zeit bis zum Ablegen zu überbrücken und sich den notwendigen Proviant zu beschaffen, doch Zacharias hatte sich, wie in den letzten Monaten auch, als erstaunlich genügsam erwiesen.
Cornelius hörte seinen Onkel seufzen, als er das Schiff sah, und musterte ihn von der Seite: Er hatte deutlich an Gewicht verloren. Immer noch hingen schwere Tränensäcke unter seinen Augen, aber seine Haut war nicht mehr so grau und aufgedunsen, und die blauen Äderchen, die seine grobporige Nase verunstaltet hatten, waren verschwunden.
Er hatte ihm nicht zugetraut, nüchtern zu bleiben, aber mit einer Entschlossenheit, die ihm bislang fremd gewesen war, war Zacharias den Weg der Läuterung gegangen: Wie an jenem ersten Abend hatte er die Wohnung und sich selbst fortan reinlich gehalten, hatte dem Glücksspiel mit Rosaria widersagt und keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.
Cornelius drehte sich zu Quidel um. Der Mapuche, der ein solch treuer Freund geworden war, hatte es sich nicht nehmen lassen, sie nach Corral zu begleiten. Nun, da sie den Hafen erreicht hatten, war er stehen geblieben.
Cornelius seufzte. Ja, er wollte nur mehr fort aus diesem Land, in dem Elisa gestorben war – er wusste immer noch nicht genau, wann und wie –, aber der Abschied von Quidel fiel ihm trotzdem schwer.
»Lass dich künftig nicht übers Ohr hauen«, er versuchte, seiner Stimme einen geschäftsmäßigen Tonfall zu geben. »Du bist ein tüchtiger Arbeiter. Du musst darauf bestehen, dass du ordentlich entlohnt wirst.«
»Ohne dich hätte man mich nie ernst genommen.«
»Ach was! Mich hat man doch auch nicht ernst genommen! Für eine jämmerliche Gestalt mit viel zu schlaffen Armen und Schultern hat man mich gehalten!«
Quidel widersprach nicht, sondern lächelte still. Cornelius schaffte es nicht, das Lächeln zu erwidern, und fühlte dennoch kurz Stolz in sich aufsteigen. Er hatte in diesem fremden Land kein Glück gefunden – vielmehr glaubte er es auf ewig verloren –, aber sinnlos war sein Leben hier nicht gewesen.
Er hatte Quidel kennengelernt und viele seiner Verwandten. Er war unermüdlich dafür eingetreten, dass sie einen gerechten Lohn erhielten, und hatte sie gelehrt zu handeln – unnachgiebig, selbstbewusst, auf den eigenen Wert und den ihrer Güter bedacht.
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Es tut mir leid, dass ich euch im Stich lasse.«
»Nicht doch!«, rief Quidel. »Du hast genug für uns getan.«
Cornelius nickte. Steif standen sie voreinander. Sie hatten sich nie umarmt – auch jetzt nicht, und doch hatte er sich selten einem Menschen so nah gefühlt.
»Leb wohl«, sagte Cornelius und drehte sich rasch um. Er war nicht sicher, ob Quidel stehen blieb und ihm nachsah.
»Nun komm schon! Es geht endlich aufs Schiff!«, rief er dem Onkel zu, dessen Schritte plötzlich zögerlich ausfielen. »Das ist es doch, was du immer wolltest!«
Zacharias nickte, aber in seinem Gesicht stand keinerlei Erleichterung, nur Nachdenklichkeit – und plötzlich auch Furcht.
Ob ihm wohl die Mühsal der Reise vor Augen stand – die Seekrankheit, die Stürme, das fade Essen, das verdorbene Wasser?
Cornelius hätte ihm gerne Trost geboten, doch er brauchte alle Kraft, die eigene Fassung zu wahren.
Zacharias zählte ohnehin nicht auf seinen Zuspruch. »Sollten wir nicht einen Schluck Schnaps zu uns nehmen?«, schlug er stattdessen vorsichtig vor.
»Du hast doch geschworen, nüchtern zu bleiben!«
»Ich will mich auch nicht betrinken!«, rief Zacharias empört, »nur der Seekrankheit vorbeugen.«
Cornelius schüttelte den Kopf; er wusste nicht, was er davon halten sollte.
Zacharias hob die Hände. »Auch dir würde ein Schluck guttun, so bleich wie du bist.«
»Und wo soll ich hier Schnaps hernehmen?«, fragte Cornelius.
»Einst, als ich diesem schrecklichen Laster abgeschworen habe, habe ich sämtliche Flaschen unter einer der Fußdielen versteckt«, erklärte Zacharias rasch. »Aber nun wäre es doch schade um sie gewesen. Also habe ich sie mitgenommen.«
Er deutete auf jene Kiste, in der sie ihr Gepäck verstaut hatten, und wollte sich schon ächzend darüberbeugen.
»Lass mich das machen!«, sagte Cornelius schnell.
Vielleicht hatte Zacharias
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