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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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erkannte sie bald, dass Taddäus dort lag – mit unnatürlich verrenkten Gliedern, die Augen starr und offen. Sie musste ihn nicht erst untersuchen, um festzustellen, dass er tot war. Auch Poldi und Barbara schienen das begriffen zu haben, doch sie waren weder zu Worten noch zu einer Regung fähig.
    Hinter ihnen standen Lu und Leo, nicht die aufgeweckten, abenteuerhungrigen Knaben von sonst, sondern zwei ängstliche Kinder, die sich an den Händen festhielten und mit einem Ausdruck der Verwirrung erst auf den toten Taddäus starrten, dann auf ihren weinenden Bruder Ricardo, der mit Annelie aus einem Erdloch gekrochen kam und verzweifelt nach seiner Mutter schrie.
    Barbara löste sich aus ihrer Starre und erhob sich abrupt. »Die Kinder sollten das nicht sehen!«, erklärte sie energisch. Sie schob Lu und Leo vom Toten fort, nahm schließlich Ricardo auf den Arm und wollte ihm tröstend über die Stirn streicheln, aber das Kind trat um sich und rief weiterhin nach seiner Mutter.
    Jule wandte sich an Lu und Leo. »Geht in die Schule und rührt euch dort nicht vom Fleck, bis man euch holt.«
    Sie konnte sich nicht vergewissern, ob die beiden ihrem Befehl folgten. Im nächsten Augenblick hörte sie ein lautes Schluchzen, dann fiel ihr Annelie um den Hals und klammerte sich an sie so fest wie eine Ertrinkende.
    »Richard …«, stammelte sie, »Richard …«
    Jule seufzte und erduldete die Umarmung für wenige Augenblicke, ehe ihr die Nähe dieses zitternden Körpers zu viel wurde und sie ihn zwar sanft, aber entschieden von sich löste.
    »Richard ist tot …«
    Annelies Schluchzen wurde rauher, erstarb schließlich, doch sie war nicht die Einzige, die heulte, auch Resa stimmte mit ihren Töchter ins Greinen ein – Resa, weil sie nun den toten Vater erblickte, die Töchter, weil sie eigentlich immer flennten.
    Jule runzelte ungehalten die Stirn und wollte auch sie barsch zur Schule schicken, doch Poldi kam ihr zuvor. Eben noch war er steif neben Taddäus gehockt, nun fuhr er auf und schrie seine Frau an: »Kannst du nicht einmal dafür sorgen, dass die Kinder ihren Mund halten?«
    Die Mädchen schwiegen augenblicklich wegen des ungewohnten Tonfalls; Resa dagegen starrte ihren Mann mit aufgerissenen Augen an. Jule hatte schon oft erlebt, dass Poldi an Resa herumnörgelte, jedoch noch nie, dass er sie derart anschrie. Augenblicklich schien es ihm leidzutun, denn er begann, unruhig auf den Lippen zu kauen.
    »Es tut mir leid …«
    Er drehte sich zu Barbara um, die ihren Kummer um den toten Gatten nicht zeigte, sondern immer noch mit dem sich windenden Ricardo kämpfte.
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er, diesmal nicht an seine Frau, sondern an seine Schwiegermutter gewandt. Barbara senkte den Kopf, dann floh sie mit Ricardo in Richtung Schule.
    Jule trat zu Lukas. Christine war neben ihm niedergesunken und barg seinen Kopf in ihrem Schoß. Seine Lider flackerten, er atmete flach, auf seinem Hinterkopf klaffte eine blutige Wunde.
    Jule beugte sich hinab und klopfte mit dem Mittelfinger auf Stirn und Schläfen. Der Laut, den sie zeugte, war dumpf.
    »Was machst du denn?«, zeterte Christine.
    »Ich will sehen, ob sein Schädel gebrochen ist.«
    Wieder flackerten die Lider, und diesmal öffnete Lukas seine Augen. Sein Blick war glasig, und eine Weile musste er darum kämpfen, etwas sagen zu können. Dann brachen die Worte aus ihm hervor: »Elisa … wo ist Elisa?«
    Jule gab keine Antwort. »Sammle Luft in deinen Wangen!«, befahl sie rüde.
    »Jetzt lass ihn doch erst in Ruhe zu sich kommen!«, keifte Christine.
    Lukas tat, was sie wollte, und blähte die Wangen auf. Jule schien mit dem Ergebnis zufrieden. »Wenn die Luft nicht entweicht, ist der Schädel auch nicht gebrochen. Dennoch sollte er nicht aufstehen. Jemand muss ihn ins Haus tragen, dort kann ich mir die Wunde ansehen.«
    Sie hob den Blick und stellte fest, dass sich ein kleiner Kreis um sie gebildet hatte; Annelie wischte sich die Tränen von den Wangen; Fritz und Andreas, die eben noch erbittert gegen die Mapuche gekämpft hatten, starrten ratlos auf den Verletzten.
    »Was steht ihr rum!«, fuhr Jule sie an. »Habt ihr nicht gehört, was ich gesagt habe? Tragt ihn ins Haus!«
    Fritz nickte und zog Andreas hinter sich her – offenbar um eine Bahre zu holen.
    Annelie murmelte etwas vor sich hin.
    »Was redest du denn da?«, herrschte Jule sie an.
    »Man muss Richards Begräbnis vorbereiten«, gab sie leise zurück. »Wenn bei uns zu Hause jemand

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